100000294683 »rn.Zart BausteinedesWDeltalls Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde Franckh’sche erlagshunolung-Stuttgart SUOTEK4 Bausteine des Weltalls Altome und Moleküle □ □ Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Stuttgart ie Gesellschaft Kosmos will die Kenntnis der Raturwissen- schaften und damit die Freude an der Natur und das Der- ständnis ihrer Erscheinungen in den weitesten Kreisen unseres Dolkes verbreiten. — Dieses Ziel glaubt die Gesellschaft durc Verbreitung guter naturwissenschaftlicher £iteratur zu erreichen mittels des Kosmos, handweiser für Naturfreunde Jährlic 12 hefte. Preis m 2.80; ferner durc Herausgabe neuer, von ersten Autoren nerfa^ter, im guten Sinne gemeinverständlicher Werke naturwissenschaft- lichen Inhalts. Es erscheinen im Dereinsjahr 1913 (Änderungen vorbehalten) : Dr. K. Sloericke, Einheimische Sische. Reich illustriert. Geheftet m 1.- = K 1.20 6 ö. w. Dr. h. Dekker, Dom sieghaften Zellenstaat. Reich illustriert. Geheftet mi- = * 1.20 I) ö. w. Dr. Ad. Koelsch, Der blühende See. Reid) illustriert. Geheftet m 1.— = K 1.20 h ö. w. w. Boelsche, Festländer und Meere. Reid) illustriert. Geheftet m 1.- = K 1.20 b ö. W. Dr. A. Zart, Bausteine des Weltalls. Reid) illustriert. Geheftet m 1.- = K 1.20 h ö. w. Diese Veröffentlichungen sind durc alle Buchhandlungen zu beziehen ; daselbst werben Beitrittserklärungen (Jahresbeitrag nur I 4.80) zum Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde (auc nachträglich noc für bie Jahre 1904/12 unter ben gleichen günstigen Bebingungen), entgegengenommen. (Satzung, Bestell» harte, Verzeichnis ber erschienenen Werke usw. siehe am Schlusse dieses Werkes.) Geschäftsstelle des Kosmos: Franckh’sche Derlagshandlung, Stuttgart. Bausteine des Weltalls Atome und Moleküle Don Dr. A. Zart Mit zahlreichen Albbildungen nac Originalaufnahmen u. Zeichnungen von C. Schmauck, R. Oeffinger u. a. und einem Titelbild von w. Planck Stuttgart Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde Geschäftsstelle: Ftanckh’iche Derlagshandlung /34/3 Alle Rechte, besonders das übersetzungsrecht, vorbehalten Copyright 1913 by Franckh’sche Verlagshandlung Stuttgart Stuttgarter Setzmaschinen-Druckerei Holzinger & Co. „Nichts existiert als die Atome und der leere Raum, alles andere ist Meinung." Demokrit. I. Wie kann man nur an einen derartigen Unsinn wie diese Atome glauben! dachte ic ehemals, als der Chemielehrer uns klar zu machen versuchte, das; alle Stoffe wahrscheinlich letzten Endes aus unendlich Kleinen, unsichtbaren Körperchen, eben den Atomen zu- sammengesetzt sind. Dann wären Luft und Steine, Wasser und (Eifen, Zucker, Eiweiß und auc alle Stoffe meines Körpers ja nichts anderes als ein Gewimmel dieser Teilchen, die sic im durchaus leeren Raum tummeln, zusammenstoszen und sofort wieder auseinander* prallen oder einander in zitternder Bewegung festhalten. Klan denke sich: in einem Kopfe voller Gedanken weiter nichts als ein Gewimmel ungezählter Scharen derartiger unendlich Kleiner Kugeln! Unfaßbar und unwahrscheinlich! Und was wurde diesen Atomen nicht alles angedichtet ! Undurch- dringlich und unteilbar sollten sie fein, eben die letzten, nicht weiter zerlegbaren Heile alles Stofflichen. Kann man sic das vorstellen? Und dabei doc vollkommen elastisch. Darüber zerbrac ic mir ver- geblic den Kopf, wie feste, unteilbare Körperchen absolut elastisc fein Können, denn zur Elastizität gehört doc die Fähigkeit der Formveränderung, verbunden mit Verdichtung und Verdünnung des Stoffes. Wie Kann ic etwas bewegen, wenn ic mic ganz steif halte und Keine Saser rühre ? Und weiter! Wie Können sic diese Atome durc den leeren Raum hindurch anziehen und festhalten, was doc der Fall fein muz. Man braucht dabei gar nicht einmal an zähen Eisendraht zu denken. Schon die Catsache, daß an meinem Singer, den ic in Wasser tauche, beim herausziehen eine dünne Wasserhaut Kleben bleibt, schien mir für die Altomtheorie ein unüberwindliches Problem zu fein. Daß die Atome einander vermöge der Anziehungskraft anziehen, ist, wie — 6 — man zugeben wird, keine befriedigende Erklärung. Wenn ic aber derartige Annahmen, wie die des Daseins von Atomen, als richtig anerkennen soll, dann verlange ic auch, daß sie nicht mit solchen Mängeln behaftet sind, — dachte ic und kehrte der Altomtheorie den Rücken. Don ihr ging ic zu den Philosophen. Die gaben auc an, bie Welt erklären zu können. Sie hatten dazu noc ben Dorteil für sich, nicht eine so umfangreiche technische Dorbereitung zu verlangen wie Abb. 1. Demokritos. (Nac Peter Paul Rubens.) bie Chemiker und phnsiker. hier wurde ic durc bie allge- meine Ablehnung, bie bie Atome im Heerlager der moder- nen Philosophie und von eini- gen philosophierenden Natur- Forschern erfuhren, in meinen Ansichten noc bestärkt. 3c will nur zwei Männer von Weltruf anführen: Kant und Schopenhauer. Kant meinte: „Alles, was uns des Bedürf- niffes überhebt, zu leeren Räu- men unsere Zuflucht zu neh- men, ist wirklicher Gewinn für die Naturwissenschaft." Und Schopenhauer gar äusserte sic auszerordentlic scharf und ab- sprechend über „die ganze Leukippo-Demokrito-Kartesianische mecha- nisch-atomistische Physik mit ihren hölzernen Erklärungen". Wan lese nur feine Abhandlung „Zur Philosophie und Wissenschaft der Natur", in der er die Anhänger der Atomlehre mit beissendem Wit zu ver- nisten glaubt und bie grössten Chemiker feiner Seit als „unwissende Apotheker" abtut. heute ist die Sage so geklärt, daß wir feinen Erguß mit behaglichem Schmunzeln lesen können, mit dem Der- gnügen der berechtigten Schadenfreude, denn die Waffe des Spot- tes, die Schopenhauer schwang, — und er führte eine gar schneidige Klinge — kehrt sic jetzt gegen ihn selbst. Unbekümmert um den hohn ber Philosophie ging bie Natur- Wissenschaft ihren Entwicklungsgang. Sie hat dabei allmählich ein — 7 — erdrückendes Material gesammelt, das heute auc die Ungläubigsten davon überzeugen mußz, daß die Welt doc aus Atomen aufgebaut ist. Wie ihr das gelungen ist, ist äußerst interessant. Dieser Ausgang der uralten Streitfrage aber hat mic zur Ehr- furcht gezwungen vor der Kühnheit der Phantasie und vor dem Gedankenfluge jener alten griechischen Philosophen, die in einer Seit, in der die Raturwissenschaft ihre ersten, schüchternen Schritte machte, die Welt gedanklich in ein Gewimmel von Atomen auflösten und sie bann wieder daraus aufzubauen suchten, um sic die rätselvolle Natur dadurc verständlicher zu machen. Schon im frühesten Mor- gengrauen der griechischen Phi- losophie treffen wir auf die atomistische Weltauffaffung. Leukipp und fein Schüler De- mokrit, der letztere um 460 v. Chr. in Abdera geboren, wer- Öen als ihre Däter genannt (Abb. 1). Wahrscheinlicher ist es alleröings, daß auc sie aus noc älteren Quellen schöpften. Epi- kur, öer von 342—270 v. Chr. lebte, unö öeffen Bild uns in einer schönen Herme erhalten ist (siehe Ebb. 2), fugte auf öer Atomistik unö baute auf ihr eine großzügige Weltanschauung unö Lebensphilosophie auf. Ein Abb. 2. Herme des Epikur. Rom, Datikan. (Mac hekler, Bildniskunst der Römer und Griechen.) lebendiges Bild feiner Lehre hat uns Öann später öer Römer Tukre3 in einem genialen Lehrgedicht: „Don öer Natur öer Dinge" überliefert.*) Seine Darstellung ist unübertrefflich in ihrem Reichtum an anschaulichen Dergleichen, im Schwung unö in öer Schön- heit ihrer Sprache unö in öer dichterischen Behandlung öes so fprööen Stoffes. Ulan wird sie immer wieder mit öem größzten Genusse lesen, heute alleröings nicht mehr zur naturwissenschaftlichen Belehrung. *) Lukre3 lebte von 98—55 vor Chr, — 8 — Don der höheren Warte unseres unvergleichlich viel reiferen Wis- fens aus schauen wir lächelnd auf die reichlic gesäten, kindlichen Irrtümer und staunen dabei über die Kühnheit jener frühen Weisheit ebensosehr, wie über den Leichtsinn, mit dem man spielend die größten Schwierigkeiten scheinbar überwand, Schwierigkeiten, deren wir heute noc nicht Herr geworden find. Was uns diese alten Philosophen besonders interessant machen muss, ist folgendes: Während die moderne Altomlehre der Rieder- schlag einer unendlich reichen, kritisc gesichteten, experimentell ge- wonnenen (Erfahrung ist, haben die Alten sic auf weiter nichts stützen können, als auf die gang alltägliche (Erfahrung des Lebens. (Es ist bewundernswert, was sie aus ihr herausgedeutet haben. Sie sahen unter dem wärmenden Kus der Sonnenstrahlen die Pflanzen aus dem Boden wachsen, sie sahen Tiere von den Pflanzen leben, den Menschen in diese Kette mit einbegriffen, und sahen alles wieder vergehen, zu Schutt und Moder zusammensinken, Dünger werden für neu aufblühendes Leben. Sie schlossen notwendigerweise, das diesem Wechsel der (Bestatt etwas (Einfacheres zugrunde liegen müsse, das sich in diese mannigfachen Formen zu kleiden und unver- ändert durch sie hindurchzugehen vermag. „Denn aus ähnlichem Stoff sind (Erde und Himmel gebildet, und die Sonn’ und das Meer, aus ähnlichem Pflanzen und Tiere; nur der verschiedene (Brad verschiedener Mischung bestimmt sie." Daß dies nach bestimmten Gesetzen vor sich geht, dafür sprach die (Dränung der täglichen (Erfahrung. Wie hörne es sonst, daß die Kinder immer den (Eltern gleichen, daß aus den verschiedenen Stoffen der Bohrung immer dieselben Formen des Körpers aufgebaut werden I Run waren die stofflichen Behandlungen zwar etwas unend- lieh Dunkles, aber das machte nichts; man gab sich nicht damit ab, bas Rosten des (Eisens etwa, das Derbrennen des Holzes, die Der» Witterung des Selsens, das Wachstum der Pflanze auf die stofflichen Dorgänge hin näher zu untersuchen; das ging so rasch nicht, und ein Philosoph will schnell zum Siele kommen. Klan sah das Wasser zu (Eis erstarren oder zu unsichtbarem Dampf sic verflüchtigen. Wan bannte die Gewinnung des (Eisens und des (Blases und erlebte die Derwandlung der Nahrung zu Kör» persubstanz. Der Derwandlungsfähigkeit schien keine Grenze gesetzt. — 9 — und es schien ein ganz natürlicher Vorgang, daß „lebendige Würmer aus stinkendem Miste kriechen, wenn häufiger Regen den Boden in Fäulnis gesetzt hat", daßz sie sic direkt aus diesem bilden können. Wenn so, unter (Einhaltung bestimmter Regeln, alles sic in alles verwandeln konnte, so war doc eines beständig und unvergänglich, mußzte unvergänglich sein: die „Orunostoffe". Jhre Summe ist weder zu vermehren noc zu vermindern. Überall, wo etwas vergeht, ent- steht dafür ein anderes: „So wie die Säufer der Bahn, nimmt einer die Fackel vom andern." Wie ist nun, fragte man sich, die Vielgestaltigkeit der Dinge möglich, wenn die stoffliche Grundlage weit einfacher ist ? hier bot sic in der Schrift ein ähnliches Problem und zugleic feine Lösung. Welc ein Reichtum an (Befühlen, (Erlebnissen, Gedan- ken läfjt sic durc die Schrift in Erzählungen, Sä^en und Wörtern ausdrücken, alles aber nur durc die wechselnde Aneinanderreihung weniger, verschieden geformter Buchstaben. Sollte es mit dem Reich- tum der Natur nicht ähnlich fein? (Ein kühner, aber packender Gedanke! Wie wäre es, wenn alle Stoffe lebten (Endes aus für uns unsichtbaren, kleinsten Teilchen, aus Atomen zusammengesetzt wären? In ständiger Bewegung, bald dichter gedrängt, bald weit auseinander gestreut, könnten sie infolge ihrer verschiedenen Gestalt, Anordnung und Beweglichkeit die Ursache aller Verschiedenheit fein. Was spräche sonst noc für diese Vermutung ? Zunächst ein anderes Problem! Wie ist Bewegung möglich ? Wäre Bewegung überhaupt denkbar ohne Annahme von leeren Räumen, in denen sic die Körper bewegen können? Wie könnte sich ein Fisc im Wasser bewegen, wenn bas Wasser eine ohne Zwischenräume einheitlich zusammenhängende Waffe wäre? Das vermögen wir uns offenbar nicht vorzustellen. Gan3 anbers bagegen, wenn man an- nimmt, daß bas Wasser aus vielen kleinen, durc leere Räume ge- trennten Teilchen besteht, bie sic verschieben lassen. Bewegung ist deshalb nur möglich, wenn es einen leeren Raum gibt unb Atome, bie sic in ihm bewegen. Die Atome unb ber leere Raum sind daher eine durchaus notwenbige Annahme. Unb weshalb sollte ber Stoff nicht aus für uns unsichtbaren, kleinsten Heilten bestehen können? Wir können alle Stoffe zer= kleinern, ohne ba^ sich eine Grenze für diese Heilbarkeit angeben 10 — lieze. Fallende Wassertropfen höhlen schlieszlic einen Stein aus, ohne daß wir die Teilchen sehen, die jeder Stopfen fortschlemmt. In gleicher Weise nützt sic die Pflugschar int Acker ab unö öer Gold- reif am Finger. Wie klein mögen die Teilchen fein, die uns den Duft der Rose zuführen ? Die Regenwolke sieht durchaus einheitlich aus unö besteht doc aus Regentropfen; also können wir auf Öen bloßen Augenschein nichts geben. Wir sehen auc öie Wasserteilchen nicht, öie langsam aus nasser, zum Trocknen aufgehängter Wäsche verdunsten. Fährt ein kalter Windhauc durc öie feuchte Luft, so ballen sic öiefe Seilten zu sichtbaren Waffertropfen zusammen. Tauchen wir ein Stück Zucker in Wasser, so sehen wir, wie öas Wasser in Öen Poren öes Zuckers in öie Höhe steigt; feine Kristalle fallen auseinanöer, zerteilen sic immer mehr unö finö schließlich für unser Ruge ganz verschwunden. Was ist natürlicher, als anzu- nehmen, daß auc öie letzten, sichtbaren Teilchen sic noc weiter zerteilt haben bis zu letzten, unteilbaren Rtomen, öie sic in Öen Poren öes Wassers verlieren wie öie Schafe einer Herde zwischen Öen Bäumen eines Walöes. Übrigens, meint Lukre3, sehen wir ja auc öie Luft nicht, unö doc ist sie körperlicher Natur; davon überzeugt uns öer Sturm in handgreiflichster Weife. Wir sehen auc öie Staubpünktchen nicht, öie in ihr umherwimmeln, unö öie ein Sonnenstrahl im dunklen Schatten aufleuchten läßt. Rnöere Philosophen haben eingewenöet: Wenn öie Luft aus kleinen, weitverstreuten Rtomen bestände, so müssten doc alle schon längst, öer Schwere folgend, sic mit öer Erde zu einer dichten Waffe vereint haben. Dagegen führten Öie Rtomiften wieöer an, daß zwar öie kleinen Steine, öie öer Fuß öes galoppierenden Pferöes auf- wirft, rasch wieder zur Erde gelangen, aber nicht öie Teilchen öes aufgewirbelten Staubes; sie halten sic lange schwebend. Denkt man sic öiefe Teilchen noc weiter verkleinert, so kommt man schlieszlic zur Beständigkeit öer Atmosphäre, vor allem, wenn man annimmt, daß öie Rtome in ewiger Bewegung begriffen finö. Diese Bewegung ist natürlich nicht zu sehen; aber öie Rusbreitung öer Riechstoffe, öie Wanöerung Öer Wärme in einem Eisenstab, öen ich mit einem Ende ins Feuer halte, sprechen für sie; ebenso öie (Erwärmung meiner Hände, wenn ich sie lebhaft reibe, wobei sic öie grobe Bewegung öer Hände in öie unsichtbare ihrer Rtome umwanöelt. Ja, öiefe Be- — 11 — wegung wird uns sogar, wenn auc indirekt, durc die Stäubchen sichtbar gemacht, die der Sonnenstrahl auc in scheinbar reiner Luft aufleuchten läßzt, meint Lukre3: „Aluc sie sammeln und trennen sic wieder, ohne Ruhe und Rast: wodurc dir ein deutliches Bild wird, wie sic im Leeren jagen die uranfänglichen Stoffe . . . Auc ver- dienen sie noc um so mehr Betrachtung, die Körper, die in der Sonne Strahl in solcher Perwirrung sic treiben, weil ihr treibendes Irren Abb. 3. Sonnenstäubchen im Sonnenstrahl, (xach einer Originalzeichnung von R. Oeffinger.) auf innere, verborgene Bewegung aller Materie zielt. Denn oftmals wirft du sie sehen, wie, vom geheimen Stoß erregt, sie die Richtung ändern, bald vorwärts, bald dahin und dorthin, nac jeglicher Seite getrieben durc ihn ...." Run gilt es, weitere Eigenschaften der Atome zu erraten. Wie öer Jagdhund, der einmal auf die Spur des Wildes gebraut ist, Busc und Wald nac ihm durchstöbert, so mußz man, sagt Eukre3, die Dinge bis in die geheimsten Winkel durchforschen, um hinter die Wahrheit zu kommen. Also die Atome find beweglich. Sie müssen aber auc unvergänglich, also ewig fein, da sie ja die gefußten Grundstoffe find, — 12 — aus denen sic alles Dergängliche aufbaut. Hus demselben Grunde sind sie einfac und unteilbar; es wird ihrer auc verschiedene Arten geben, von mannigfacher Gestalt, um die bunte Dielheit der ewig veränderlichen Klatur verständlich zu machen. Weic und locker können sie nicht gut fein, sondern sie werden fest und hart fein; denn wohl läszt sic die Weichheit der Körper durc lockere Lagerung harter Atome, aber nicht die Festigkeit des Steins und Eisens aus einem Gefüge lockrer Atome erklären. Die vergänglichen Eigenschaften der sichtbaren Körper wie Sarbe, Wärme, Geruch, Geschmack usw. haften nur an bestimmten Vereinigungen der Atome und ver- schwinden mit ihnen. In dieser Art kann man noch lange weiter „philosophieren", und das haben die alten Altomisten mit grossem Scharfblick und Spür- sinn, aber auch mit viel Naivität reichlich getan. So müßten, meinten sie 3. B., scharf schmeckende, salzige, saure, bittere Substanzen Atome haben, die eckig, spitz, stechend find. Die Seele ferner müszte der Be- weglichkeit der Gedanken wegen aus Atomen von besonders glatter, runder Sorm und großer Beweglichkeit bestehen, deren Gewicht nur sehr gering fein könnte, da mit dem Code, in dem die Seele entweicht, keine Gewichtsveränderung eintritt. So gerieten sie langsam auf Gebiete, auf denen die Leistungs- fähigkeit ihrer Philosophie notwendigerweise aufhören mußzte und auch die geistreichste und genialste Auslegung zufälliger (Erfahrungen des täglichen Lebens nicht weiter kommen kann. Dies ist wohl mit ein Grund, weshalb die Philosophie sic später ganz allgemein von den Atomen abkehrte und nach wiederholten, vergeblichen Versuchen, die in ihrer Annahme liegenden theoretischen Schwierigkeiten zu überwinden, andere Wege versuchte. Anders die Naturwissenschaft. Ehe sie sic aber des Problems annahm, waren viele Jahrhunderte feit der griechischen Atomistik verflossen. Inzwischen hatte die Religionsphilosophie das philo- sophische Denken in ganz falsche Bahnen geleitet. Daß sie mit der Atomistik nicht gut freund fein konnte, war erklärlich. Denn was hätte in der Welt der ewigen, unvergänglichen Atome, die sic nach ewigen, unveränderlichen Gesetzen ordnen, ein Gott zu tun! Die scheinbare Weisheit und Zweckmäzigkeit der Natur erklärten die Atomiftiker ganz natürlich dadurch, daß alles Unzweckmäßige sic nicht erhalten kann und untergehen muss. Die Religionsphilosophie — 13 — dagegen sah in dieser Zweckmäszigkeit den Willen eines höheren We- Jens. Infolgedessen war die Atomistik niete Jahrhunderte hindurch aus dem Denken der Menschheit so gut wie ausgelöscht. Wieviel (Engel etwa auf einer Stecknadelspitze platz haben, ohne zu sehr ins Ge- dränge zu kommen, das war für diese Seiten ein viel interessanteres Problem, über das gelehrte Untersuchungen angestellt würben. Im geheimen aber glomm der Sunke der Erkenntnis weiter. Man muß es als eine Ironie des Schicksals ansehen, daß ein katholischer Prie- [ter, Gassendi, der von 1592 bis 1655 in Srankreic lebte, sic dazu berufen fühlte, die Philosophie des Epikur wieder auszugraben unb sie als begeisterter Anhänger zu preisen. Um bies ungestraft tun zu können, muszte er allerdings einen Kniff anwenben, ber in jenen Seiten in mannigfacher Variation üblic war. (Er sagte, es fei ja ge- wißz, ba^ Gott bie Welt erschaffen habe, es fei aber doc interessant, einmal barüber nachzudenken, wie sie ohne Gottes (Eingriff wohl non selbst geworben fein würbe. Damit war bie Atomlehre wieber in bas Bewusztsein ber Menschheit zurückgerufen, unb von ba ab ist sie nicht wieber untergegangen. „,3c wurde von einigen gelehrten Männern aufgefordert, die Atomtheorie durc chemische Experimente zu veranschau- lichen." Robert Boyle. II. 3m Jahre 1595 schrieb ein gewisser Jakob Horst, Professor in Helmstädt, ein gelehrtes Buc darüber, wie man sic die Tatsache erklären könnte, das einem Knaben in Schweidnitz ein goldener Zahn gewachsen sei. Es hätten sic hier eben unter ganz besonderen Ein- flüssen die Stoffe anders geordnet wie sonst, so daß sic jetzt ein- mal statt des gewohnten ein goldener Zahn gebildet habe. Damals kannte man die Grenzen der stofflichen Derwandlungs- fähigkeit noc nicht, so daß selbst ein so genialer Kopf wie der be- rühmte holländische Arzt van Helmont, der 1644 starb, der über- zeugung war, es könnten sic „in einem Gefäß, bas Weizenmehl und ein schmutziges Hemd enthält, durc direkte Umwandlung Mäuse bilden." Ja, es erschien vielleicht manchem Grübler jener Seiten nicht unwahrscheinlich, daß es eines Cages gelingen könnte, künstlic Men- schen zu machen, den Homunculus des Faust ersteren zu lassen, etwa wie man heute künstlichen Honig macht. Es erscheint deshalb ganz verständlich, daßz man es auc für möglic hielt, Metalle ineinander zu verwandeln. So mühten sic im ganzen mittelalter die Alchimisten ab, aus unedlen metallen Gold zu machen, ein Ziel, das zweifellos zu Versuchen reizen konnte. Gold hat man dabei nicht gefunden, wohl aber etwas anderes, was überaus wertvoll werben sollte. Diese alchimistischen Versuche unb bie später einsetzenden Arbeiten, auf chemischem Wege Stoffe zu bereiten, bie von allen Krankheiten heilen unb ein langes Leben bescheren könnten, förderten eine Unmenge wichtiger Kenntnisse über bie Eigenschaften ber Stoffe, ihre Umwandlungen unb bie Grenzen ihrer Derwandlungsfähigkeit zutage. Es war bas Mor- genbämmern ber chemischen Wissenschaft, bas hier anbrach. Heben — 15 - der Bereicherung des Wissens wurde im Laufe der Jahrhunderte vor allem auc die experimentelle Geschicklichkeit auszerordentlic gefördert. Will man über die atomistische Weltansicht der Alten, die sic nur auf alltägliche Raturerfahrung stützt, und die man an einem schönen Tage, im Grase liegend, zusammenphilosophieren kann, hinauskommen, so mußz man es sic schon ein wenig Mühe kosten Abb. 4. Alchimistisches Laboratorium. (Hus dem Deutschen Museum in München.) lassen; man muß mit der Natur mehr handgemein geworben fein, muß sie zwingen können, auf wichtige fragen selbst Antwort zu geben, das heiszt, man mußz experimentieren können. hierzu war die Seit reif geworben, als Gassendi bie ato- mistische Weltanschauung nach jahrhundertelangem Schlafe wieber auferweckte. Die Astronomie hatte feit Kopernikus, Galilei unb Kepler ungeheure Fortschritte gemacht; Galilei hatte bie Gesetze bes Falles, bes Wurfes unb ber Pendelbewegung unter- sucht; bas Fernrohr war erfunben worben, Magnetismus unb Elek- trizität würben durc vielversprechende Versuche näher erforscht. — 16 — Abb. 5. Robert Bonle. (Nac einem zeitgenössischen Stiche.) Guericke machte feine berühmten Luftpumpenerperimente, kur3, die experimentelle Naturwissenschaft war auf dem Marsche; sie hielt auc in der Chemie ihren Einzug, als die Philosophie sic mit der Experimentierkuns der Alchimisten und Medizinfabrikanten ver- mählte, die unbekümmert um das Dasein oder Nichtdasein der Atome rein praktischen Sielen nachgestrebt hatten. Nun konnte das philo- sophische Atomproblem von der praktischen Seite angepackt werden. Dies geschah in ganz be- wüster Weise durch Robert Boyle, einen englischen Sor- scher, der von 1627 bis 1691 lebte. „3c wurde," so er- zählte er, „von einigen Gelehr- ten aufgefordert, die Atom- theorie durc chemische Experi- mente zu veranschaulichen, ober zu versuchen, ob sic die Atomlehre des Gassendi ober bes Kartefius durc bie chemi- schen Tatsachen besser erklären lasse, als durc bie Metho- ben ber Peripatetiker *) unb Seuerphilosophen". Was finb chemische Cat- sachen unb chemische Dorgänge ? Wenn ic Kohle unter bem Herd verbrenne, so verschwindet sie unter Seuererscheinung unb Ruftreten von Wärme. halte ic ein brennen» bes Streichholz barüber, so erlischt es, ein Zeichen für bas Entweichen eines Gases, bas bie Derbrennung nicht unterhalten kann. Es ist bie Kohlensäure. Sange ic sie ab unb leite sie in klares, durc Lösen non gebranntem Kalk in Wasser hergestelltes unb filtriertes Kalkwasser, so trübt es sic sofort unter Ausscheidung von kohlen- saurem Kalk. Zünde ic Schwefel an, so brennt er mit bläulicher Flamme, unb • *) Mit den „Methoden der Peripatetiker" ist die Philosophie des Aristoteles gemeint, über bie bas Mittelalter nicht hinausgekommen war. Die Feuerphilosophen nahmen an, daß bas jener ber Lebendige Urstoff aller Dinge sei. — 17 — ein charakteristischer, stechender Geruc tritt auf, der von einem neu- gebildeten Gas, der schwefligen Säure herrührt; auc in ihr erlischt ein brennendes Streichholz. Das sind chemische Umsetzungen. Wenn ic aber Wasser er- hitze, so verschwindet es zunächst auch. Bei der Abkühlung erscheint es jedoc wieder, hier hat keine dauernde stoffliche Veränderung stattgefunden, die Verdampfung ist daher kein chemischer Vorgang, sondern eine einfache phnsikalischeZustandsänderung. Che- mische Vorgänge find im Gegensatz hierzu solche, bei denen die beteiligten Stoffe verschwinden und an ihrer Stelle neue Stoffe mit anderen charakteristischen Eigenschaften auftreten. Löse ic Kochsalz in Wasser, so kann ic in der Lösung sowohl Wasser als Kochsalz erkennen, und wenn ic das Wasser verdunsten lasse, so bleibt das Kochsalz zurück. Wenn ic aber Zink in ver- dünnter Schwefelsäure löse, so sehe ic zunächst Gasblasen auf- treten, die sic bei näherer Untersuchung als brennbar erweisen; es ist Wasserstoff. Tasse ic bas Wasser der entstandenen Lösung ver- dunsten, so bleibt nicht etwa wieder Zink zurück, sondern ein Salz: Zinksulfat oder schwefelsaures Sink. Die erste Lösung ist durc einen physikalischen, die zweite durch einen chemischen Vorgang entstanden. Reiben wir feine Eisenfeilspäne, sagen wir 20 g, mit 10 g Schwefel zusammen, so erhalten wir ein grünlich-graues Pulver, bas ganz einheitlich aussieht. Bringen wir eine probe davon in ein Pro- bierglas, gieszen Wasser barauf unb schütteln tüchtig durch, so bleibt unten bas schwere Eisenpulver liegen, während ber Schwefel bas Wasser trübt. Halten wir über eine anbere probe einen Magneten, so zieht er ben Eisenstaub an sich, unb ber Schwefel bleibt zurück. Gieszen wir auf eine britte probe verdünnte Salzsäure, so löst sic nur bas Eisen, während ein geruchloses Gas (Wasserstoff) entweicht unb ber Schwefel zurückbleibt. Das finb alles Beweise, daß bas graue, aus (Eifen unb Schwefel zusammengeriebene Pulver eine physikalische Mischung ist. Hun nehmen wir ben Rest dieser Mischung, bringen ihn in ein probierrohr unb erhitzen ben untersten Seil. Zuerst schmilzt ber Schwefel; bann fängt auf einmal ber erhitzte Seil an rot zu glühen, unb biefe Glüherscheinung schreitet rasch durc die ganze Masse fort, bie zusammenbackt. Wir zerkleinern sie nach dem Er- kalten unb erhalten ein grauschwarzes Pulver. Der Magnet zieht aus ihm kein (Eifen mehr heraus, Wasser vermag keine Trennung Zart, Bausteine des Weltalls. 2 —18 — mehr herbeizuführen, und schütte ic Salzsäure darauf, so entweicht ein unangenehm riechendes, giftiges Gas (Schwefelwasserstoff), wäh- rend das ganze Pulver in Lösung geht, lac dem Erhitzen sind also alle Eigenschaften vollständig verändert, hier handelt es sic daher um einen chemischen Dorgang, bei dem ein neuer Stoff, Schwefeleisen, entstauben ist. Stoh unserer neuen Kunst wollen wir nun einmal zusehen, wie die chemischen Tatsachen zur Prüfung der Atomhupothese zu verwerten sind. Zunächst könnten wir sofort untersuchen, ob die Voraussetzung des Demokrit, daß die Grundstoffe unzerstörbar und unvergänglich finb, wirklich zutrifft. 3s das wahr, so muß das Gesamtgewicht aller Stoffe bei ber chemischen Umsetzung er- galten bleiben. Um bas festzustellen, bringen wir 3. B. unsere Schwefeleisen-Mischung in ein geschlossenes Gefäßz, bamit nichts ent- weichen kann, unb wiegen es. Dann erzeugen wir durc Erhitzen Schwefeleisen, lassen abkühlen unb wiegen wieber. ©ber wir bringen Schwefel in ein Glasgefäßz, bas wir verschließen unb wiegen. Darauf zünden wir ben Schwefel, durc ein Brennglas etwa, an, warten, wenn bie Verbrennung zu Ende ist, bis bie Temperatur ben alten Stanb erreicht hat, unb wiegen wieber. Derartige Versuche finb feit Tavoisier, ber sie zu biefem Zweck zuerst ausführte, unb beffen Bilb wir in Albb. 6 bringen, bis in bie neueste Seit mit fteigenber unb größter Genauigkeit angestellt worben. 3hr Ausfall berechtigt uns zu bem Schlüsse, daß bei chemi- schen Umsetzungen keine Zu- ober Abnahme bes Gesamtgewichtes ber beteiligten Stoffe eintritt. Die Gesamtmenge ist also unveränderlich, unb nur bie Art ber Zusammensetzung wechselt. Dieser Satz unterscheidet sic trotz mancher Ähnlichkeit doc ganz wesentlich Don ber philosophischen Denkforberung bes Demokrit: „Aus nichts wirb nichts", unb zwar dadurch, daß er sic auf gan3 bestimmte, experimentell erwiesene Tatsachen stützt. Dieser Unterschieb besteht auch zwischen ber naturwis- senschaftlichen Atomhypothese, bie sic nun allmählich ausbilbete, unb ber alten, philosophischenAtomlehre. Der wertvollste Besitz ber Naturwissenschaft ist ber Schat ihrer experimentellen (Erfahrungen, unb bie allgemeinen Schlüffe, dieheorien, scheinen zunächst weiter nichts als beren praktische, übersichtliche Zu= — 19 — sammenfafsung zu sein. Der hier aufgedeckte Unterschied tritt uns gleic bei dem nächsten Schritt besonders deutlich ent- gegen. Die alten Atomisten hatten ganz allgemein von Grundstoffen geredet, hatten sic aber nicht die mühe gemacht, sie nun auch praktisch aufzusuchen. Andere Philosophen hatten das Wasser, die Luft, das Seuer, die Erde, die Alchimisten bann Schwefel, Quecksilber, Salz als solche Grundstoffe ange- sprochen, hatten aber dabei nur der verschwommenen, sym- bolischen Auffassung Ausdruck geben wollen, daß alle Stoffe aus flüssigen, gasförmigen, festen, metallähnlichen, brenn- baren oder unverbrennlichen Anteilen zusammengesetzt feien. Wissenschaftlichen Ein- forderungen konnten diese „Elemente" nicht genügen, und so machte Bogle einen anderen, einfachen Dorschlag, man möge alle jene Stoffe als Grundstoffe betrauten, die sic nicht weiter in verschieden- artige Anteile zerlegen lassen, und sie (Elemente nennen. Das ist in der Folge mit auszerordentlichem Rutzen ge- schehen. Die erwähnte Zerle- Abb. 6. Antoine Laurent Lavoisier. (Mac einer zeitgenössischen Zeichnung.) gung kann unter anderem durc den elektrischen Strom vorgenom- men werden, durc den 3. B. Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff geschieden wird, oder auc durc blosses Erhitzen, wie beim Queck- silberoxyd 3. B., das bei 400° in Quecksilber und Sauerstoff zerfällt. Bekannt ist die technische Darstellung von (Eifen aus dessen Derbin- düngen mit Sauerstoff, den Eisenoxyden, die man zu diesem Zwecke mit Kohle, unter (Einblafen von Luft erhitzt. Die Kohle verbrennt dabei zu Kohlenoxyd, und biefes befreit bann bei ungefähr 1000° bas (Eifen vom Sauerstoff. Das (Element Chlor stellt man durc Zer- — 20 — legen Don Salzsäure, der Verbindung des Chlors mit Wasserstoff, dar, die man dazu mit Braunstein erhitzt. So einfach und naheliegend auc der Dorschlag Don Boyle war, so konnte er doc erst gemacht werden, als man chemisch zu experi- mentieren, Stoffe zu zerlegen, gelernt hatte. Jetzt war es nur noch eine Aufgabe praktischer Versuche, die (Elemente aufzufinden. Zu den (Elementen gehören bekanntlich alle Metalle, sodann Kohlen- stoss, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel, Phosphor, Chlor usw. Man hat ihrer bisher 83 aufgefunden. Ehe diese Angabe aber gedruckt ist, können es schon wieder mehr fein, denn ihre Zahl vermehrt sic noc immer, wenn auc natürlich Diel langsamer als früher. Boyles Begriffsbestimmung war auzerordentlic glücklic gewählt; denn wenn es gelingt, einen bisher als (Element angesehenen Stoff doc noc zu spalten, so war er eben kein (Element, und wir haben nun erst feine Natur erkannt. Umgekehrt entstehen durc Bereinigung ber (Elemente die zu- sammengesetzten Stoffe, wie das Wasser durc Derbrennen von Wasserstoff und Sauerstoff in der Knallgasflamme. Sie haben schein- bar nichts Don den Eigenschaften der (Elemente übernommen, und bie (Elemente finb in ihnen für unsere Sinne vollständig verschwun- ben. Trotzdem nehmen wir an, daß bie (Elemente in biefen Der- binbungen fortbestehen, ba wir sie aus ihnen wieber darstellen können, und zwar in derselben Menge, mit her sie hineingegangen finb. Was ist es für eine überaus merkwürbige Darstellung, daß ber harte, schwarze Kohlenstoff in ber Kohlensäure sowohl wie im Ben= zin, im Zucker wie im Eiweiß unb im Brot enthalten ist; ober ba^ unser Kochsalz aus bem Metall Natrium, bas Wasser außzerordentlic heftig unter Wasserstoffentwicklung zersetzt, unb bem gelbgrünen, erstickend riechenden, alle organischen Stoffe heftig angreifenben Ele- ment Chlor besteht. Auf biefes Problem fällt aber gleic Licht, wenn wir ben Dorteil ausnutzen, ben uns bie Atomhupothese bietet. Nehmen wir an, daß bie (Elemente aus durchaus gleichartigen Atomen zusammengesetzt finb, so müssen bei ber Bereinigung ver- schiedener (Elemente bie verschiedenen Atome zu neuen, zusammen- gefeiten, kleinsten Teilchen zusammentreten. Wir müssen annehmen, daß bie Eigenschaften eines jeden Stoffes durc beffen kleinste Teil- — 21 — chen bedingt werden. Diese Teilchen sind bei den (Elementen andere als bei Öen zusammengesetzten Stoffen, Öen Verbindungen, also wer- öen es auc öie Eigenschaften fein. 3st öas öer Fall, so entsteht öie auc wieder experimentell zu entscheidende Frage, in welcher Anzahl sic öie Atome vereinigen. 3s öiefe Anzahl öem Zufall überlassen oöer gesetzmäszig bestimmt? Betrachten wir öen einfachen Fall öer Vereinigung von Wasserstoff unö Sauerstoff zu Wasser. Treten hier beliebig viele Atome Wasser- stoss mit beliebig vielen Atomen Sauerstoff zu einem Wasserteilchen zusammen? Würöe öas öer Fall fein, unö öarüber können Der- suche Auskunft geben, so müßzte man öas Wasser durc Destillation oöer auf anöere Weife in verschiedene Bestandteile zerlegen können (etwa wie man feines unö grobes Mehl voneinander fonöert), in öenen auf öiefelbe Menge Wasserstoff verschiedene Mengen Sauerstoff kommen. Stellen wir über öiefe Frage einige Der- suche an. Drei senkrechte Röhren, von öenen zwei oben durc Hähne verschließbar finö, während öie öritte sic oben zu einem Trichter erweitert, stehen an öen unteren Enden miteinanöer in Verbindung (Abb. 7). Durc öen Trichter gieren wir so lange Wasser ein, bis es aus öen beiöen anöeren Röhren herausflieszt, öann schlieszen wir öie beiöen Hähne. In öie beiöen oben geschlossenen Röhren führen unten öie (Enöen eines elektrischen Stromkreises zu kleinen Platin- blechen. Schlieszt man öen Strom, so setzt an öen ReRReZiSLrageraseu: Platinblechen eine Gasentwicklung ein; 6 asb lasen "SOU4"8nRPUL5R29E5F: steigen in öie Höhe unö sammeln sic oben an, wobei ren, von denen zwei sie öas Wasser in die öritte Röhre hineindrücken, verschließbar sind, hierbei fällt balö auf, öa^ öie Gasmengen in öen WG"5BE% dnem beiöen Röhren verschieden groß finö. Die genauere YeherteTan 6 Sex" tert: Betrachtung zeigt, daß öie Gasmenge in öer einen EtRCmoeE"R“"DerBi: Röhre immer doppelt so groß ist wie öie öer anöern. öung. Unterbrechen wir öen Strom, wenn sic in öer einen Röhre mit öer schwächeren Gasentwicklung 10 cem Gas angesammelt haben, so finöen wir in öer anöeren 20 ccm. Bei näherer Unter- suchung stellt sic heraus, daßz öie 20 ccm Wasserstoff unö öie 10 ccm — 22 — Sauerstoff sind. Dieses Raumverhältnis der beiden entstehenden Gase 2:1 finden wir bei der Zerlegung des Wassers stets wieder. Umgekehrt können wir Wasserstoff und Sauerstoff miteinander vereinigen. Mischen wir 20 ccm Wasserstoff mit 10 ccm Sauer- stoss und lassen einen elektrischen Funken hindurchschlagen, so ver- brennen sie vollständig miteinander zu Wasser. Nehmen wir zu dem Dersuc 20 ccm Wasserstoff und 20 ccm Sauerstoff, so bleiben 10 ccm Gas zurück, bie sic als Sauerstoff erweisen, denn sie werden von einem Stück Phosphor vollständig verschluckt. Da die 10 ccm Sauerstoff ungefähr 8 mal so schwer find wie die 20 ccm Wasserstoff, so würden sic 8 g Sauerstoff mit 1 g Wasserstoff zu 9 g Wasser vereinigen. Wir können das Wasser noc auf Diele andere Arten herstellen, 3. B. dadurch, daß wir Wasserstoff über erhitztes, schwar- zes Kupferozyd leiten unb feststellen, welche Menge Sauerstoff da- bei bem Kupferoxyd entzogen wirb unb wieviel Wasser entsteht; immer finben wir dasselbe Gewichtsverhältnis ber verbrauchten Ele- mente unb bes entstehenden Wassers. Dieselbe Erfahrung machen wir bei ber Untersuchung jedes anberen chemisc einheitlichen Stoffes, gleichgültig, ob wir Kochsalz, Salzsäure, Glaubersalz, Sucher ober sonst eine Substanz untersuchen; immer werben wir finben, bag bas Gewichtsverhältnis, in bem sic bie (Elemente zu einem bestimmten Stoff verbinden, fest unb unver- änderlic ist. In bie Sprache unserer Altomhypothese übersetzt, würbe bas also heiszen, ba^ alle Atome berfelben (Elemente gleic schwer finb, unb ba^ bie Atome ber verschiedenen (Elemente sic in ganz bestimmter Anzahl, in festen Derhältnissen miteinanber ver- binben. Das war nicht ohne weiteres vorauszusehen. Die Meinungen barüber waren ehemals auc sehr geteilt, unb es hat auszerordentlic vieler Versuche beburft, biefe Tatsache sicher unb einwanbfrei fest- zustellen. Die Lage war auc insofern etwas verwirrend, als es be- bannt war, daß bie (Elemente sic nicht nur in einem, fonbern in mehreren Gewichtsverhältnissen miteinanber vereinigen. So besteht 3. B. bas giftige Kohlenoxyd aus 42,86 % Kohlenstoff unb 57,140 Sauerstoff, während bie Kohlensäure 27,27% Kohlenstoff unb 72,73% Sauerstoff enthält. In allen berartigen Fällen konnte festgestellt werben, daß biefe Verhältnisse auch durchaus feste unb beständige finb, also zwischen einer bestimmten, für jeden Stoff feststehenden An- — 23 zahl von Atomen eingegangen werden. Diese Schlußfolgerung 30g Dalton, ein englischer Chemiker, der von 1766—1844 lebte, und dessen Bild Abb.8 zeigt; er hat sic mit ihr unsterbliche Verdienste um die Entwicklung der Chemie und der Atomtheorie erworben, denn sie brachte Licht in ein bis dahin dunkles Gebiet. Dalton fragte sic in solchen Fällen, wieviel Atome von dem einen (Element in beiden Stoffen auf die gleiche Anzahl Atome, also auf die gleiche Ge- wichtsmenge des anderen (Elementes kommen. Rechnet man den oben angegebenen Prozentgehalt so um, daß beide Male dasselbe Gewicht Kohlenstoff genommen wird, 3. B. 12 g, so erhält man fol- gende Zahlen: 28 g Kohlen- ozyd bestehen aus 12 g Koh= lenftoff und 16 g Sauerstoff; 44 g Kohlensäure bestehen aus 12 g Kohlenstoff und 32 g Sauerstoff. Durc diese einfache Um- rechnung, die Dalton an- stellte, bekamen die Zahlen ein ganz anderes Gesicht. Die Sauerstoffmengen verhalten sic wie 1:2; würden wir also annehmen, im Kohlenoxyd wäre 1 Atom Kohlenstoff mit 1 Atom Sauerstoff verbunden, so müßzte in der Kohlensäure 1 Atom Kohlenstoss mit 2 Atomen Sauerstoff vereinigt Abb. 8. John Dalton. (Kac einer Zeichnung von w. Planck.) fein. Dalton schuf hierfür ein anschauliches Bezeichnungssnstem (das jetzt aber verlassen ist), indem er jedes Atom durc einen kleinen Kreis bezeichnete, 3. B.: Sauerstoff Kohlenstoff Schwefel Kohlenoxyd Kohlensäure ähnliche einfache Verhältnisse konnte Dalton auc in allen anderen Fällen feststellen. Ic greife noc ein beliebiges Beispiel heraus. Derbrennt man Schwefel zu schwefliger Säure, so verbrauchen 32 g - 24 — Schwefel 32 g Sauerstoff. Leitet man die entstandene schweflige Säure mit Euf gemischt bei höherer Temperatur über fein verteiltes Platin, so entsteht durc erneute Aufnahme von Sauerstoff ein neuer Stoff, der bei gewöhnlicher Temperatur fest ist und weise kristalli- nische Fäden bildet, das sog. Schwefelsäureanhydrid ober Schwefel- triozyo. Aus den anfänglich verbrannten 32 g Schwefel sind dabei 80 g Schwefeltrioxyd entstanden, so daß also im ganzen 48 g Sauer- stoss gebunden wurden. Die Sauerstoffmengen stehen in beiden Der- bindungen im Verhältnis 2:3. Dalton würbe also angenommen haben, baß 1 Atom Schwefel in ber schwefligen Säure mit zwei unb im Schwefeltriogyd mit brei Altomen Sauerstoff verbunden ist. In biefer zunächst ganz willkürlichen Folgerung, bie Dalton 30g, steckte bie berechtigte Voraussetzung, daß man bas Gewichtsverhält- nis ber verschiedenen Atome zu bestimmen vermag, ohne bas wirk- lic e Gewicht eines einzelnen Atoms zu kennen; benn es ist klar, daßz bas Gewichtsverhältnis zwischen einem Atom Wasserstoff unb einem Atom Sauerstoff ebenso groß ist, wie bas zwischen tausend ober zwischen vielen Milliarden von ihnen, bie bei unseren gewöhn- lichen Gewichtsbestimmungen vorhanden finb. Was berechtigte Dalton aber zu ber Annahme, daßz 3. B. im Kohlenoxyd ein Atom Kohlenstoff sic mit nur einem Atom Sauerstoff verbindet ? Könnten es nicht auc zwei Atome Sauerstoff fein, so baß in ber Kohlensäure ihrer vier auf ein Atom Kohlenstoff kämen? Die Antwort barauf ist, baß Dalton bie einfachsten Zahlen, bie einfachsten Derhältniss e als bie wahrscheinlichsten annahm, manchmal hatte er babei Glück unb traf bas Richtige. 3n anberen Fällen führte ihn feine Methode irre, so 3. B., als er annahm, baß im Wasser ein Atom Wasserstoff mit einem Atom Sauerstoff vereinigt fei. Rein, so leicht sollte es uns nicht gemacht werben, wie es sich Dalton dachte; aber er hatte doc ben Ariabnefaben gefunben, ber uns bann später aus dem Irrgarten ber sonst ganz unübersichtlichen Tatsachen herausleitete. Man hat im Laufe ber Seit bie aus mehreren Atomen zusam- mengesetzten kleinsten Teilchen eines Stoffes, wie 3. B. bes Wassers, Suckers usw., „Moleküle" genannt, unb von ben Atomen, ben kleinsten Teilchen ber Elemente, unterschieben. Die Moleküle finb also noch in Atome zerlegbar, biefe aber — vorläufig — nicht weiter 3U spalten. Run fällt auch ein alter philosophischer Einwand gegen bie — 25 — naturwissenschaftliche Altomhnpothese ganz von selbst in sic zusam- men. Wir glauben nicht an eure Atome als die letzten, unteilbaren Bausteine alles Stofflichen, hatten die Gegner der Altomisten immer gesagt, denn wir sehen keinen Grund für die Beschränkung der Teilbarkeit ein. Wir können uns jedes noc so kleine Teilchen doc immer wieder halbiert denken, die entstehenden Hälften wieder ge- teilt uff., ohne eine Grenze dieser Heilbarkeit zu sehen. Sie hatten dabei zunächst die in Gedanken unbegrenzte Heilbarkeit des Raumes mit der begrenzten Heilbarkeit stofflicher Gebilde verwechselt, über die nur der Dersuc entscheiden kann. Dann aber kann man ihnen auc ruhig zugestehen, daß unsere heutigen Atome gar nicht die Iet= ten unteilbaren Teilchen zu fein brauchen, daß sie gan3 gut noc weiter spaltbar fein können; diese Heilbarkeit ist ja gar kein Beweis mehr gegen das Vorhandensein der Atome. Wir haben die aus verschiedenen Atomen zusammengesetzten Moleküle kennen ge= lernt. Sie sind wohl noc zu zerlegen, aber dabei zerfallen sie in Atome, und es entstehen gang neue Stoffe mit ganz neuen Eigen- schaften, 3. B. aus dem Wasser die Gase Wasserstoff und Sauerstoff. Die letzten charakteristischen Heilten des Wassers sind die Wasser- moleküle, und die Atome sind die letzten charakteristischen Heilten der Elemente. Würde man 3. B. die Atome des Quecksilbers noc weiter 3erteilen können, so würöe dabei auc das Quecksilber mit feinen so bezeichnenden Eigenschaften verschwinden. Wie stelle ic nun die Gröze eines Moleküls fest, d. h., wie ermittle ic öie Anzahl von Atomen, öie sic in ihm vereinigen ? Dazu müßzte man ja auc das Gewichtsverhältnis der verschiedenen Atome zueinander kennen. Man hat sic geholfen, so gut es ging. Man hat zunächst als Grundmaß für öie Atome öas leichteste Atom genommen, öas in allen Verbindungen immer mit öem kleinsten Gewichtsanteil vertreten war, öas war öas Wasserstoffatom; öann hat man aus Öen zahlreichen experimentellen Feststellungen aller untersuchten Stoffe herauszurechnen versucht, wieviel mal so schwer öie anöeren Atome sind als so ein Wafferftoffatom, öas mit 1 in öie Rechnung eingesetzt wuröe. Die so erhaltenen Zahlen nannte man Atomgewichte. Man fanö 3. B., Öafj sic öas Chlor nur in einem einzigen Gewichtsverhältnis mit Wasserstoff verbindet, unö zwar im Verhältnis 35,5:1. Infolgedessen konnte man öas Atomgewicht öes Chlors gleic 35,5 setzen unö nahm in öem Sal3fäuremolekül 1 Atom 26 — Wasserstoff und 1 Atom Chlor an. Weiter war auszer unserem Koch- salz keine andere Verbindung von Chlor und Natrium bekannt; ihr Gewichtsverhältnis betrug 35,5:23; also konnte man annehmen, daß ein Molekül Kochsalz aus einem Atom Chlor und einem Atom Natrium besteht, und daß öas Atomgewicht des Natriums wahrschein- lic 23 ist. So konnte man immer weiter rechnen. In dem Augenblick aber, in dem sic herausgestellt hätte, öa^ sic zwei Atome Chlor und nicht eines mit einem Atom Wasserstoff zu Salzsäure vereinigen. Abb. 9 zeigt die Beziehung zwischen Druck und Gasraum. wäre die ganze Rechnung falsc gewesen. In diesem Fall ist öas nicht geschehen ; aber unsicher war öie ganze Geschichte doch, unö in manchen anöeren Sällen hat man sic auc wirklic geirrt, trotzdem man noc alle möglichen anöeren Beobachtungen benutzen konnte. Die befrieöigenöe Lösung dieses Pro- blems war so schwierig, öafj fünfzig Jahre oergingen, bis man sie gefunöen hatte, trotzdem öer richtige Weg gleic im An- fang von Avogadro, einem italienischen, unö von Ampere, öem berühmten Phy- siker unö französischen Zeitgenossen Dal- tons, gewiesen woröen war. Aluc Dalton hatte öiefen Weg gekreuzt, vielleicht war er ihn sogar eine Strecke weit gegangen, öann aber hatte er ihn wieöer verlassen. Dieser richtige Weg öffnete sic bei öem Stuöium öer physikalischen Eigenschaften unö chemischen Umwandlungen öer Gase, öie geraöe öamals im Mittelpunkt öes Zn- teresses ftanöen. Man bann sic ganz gut vorstellen, daß ein befonöerer Anreiz öarin lag, öie Luft unö öie luftartigen Körper 3um Gegenstand öer Unter» suchung zu wählen unö öamit experimentell in ein Gebiet einzudrin- gen, öas, so wichtig es für unser Leben auc ist, auf Öen ersten Blick so wenig zugänglich erscheint. Klan mufjte mit (Basen erst um- gehen lernen, mußzte lernen, sie zu messen, zu wägen, chemische — 27 — Umsetzungen mit ihnen vorzunehmen und diese messend zu verfol- gen. Dabei hatte man gang befonbers interessante, nur den Gasen eigentümliche Regelmäßigkeiten gefunden. So hatte Bot) le 3. B. untersucht, wie groß" die Raumverminderung ist, wenn man auf ein Gas, 3. B. die Luft, einen Druck von bekannter Grösze ausübt. Das ist auf folgende Weise leicht 3U bestimmen. Wir gießen in ein Glasrohr, wie es Abb. 91, 3eigt, so viel Quecksilber, daß die Luft gerade abgefperrt ist. Sie steht jetzt unter dem Drucke der Atmo- fpßäre, der sie das Gleichgewicht hält. Wie groß ist dieser Druck? Er entspricht, wie jedes Quecksilberbarometer jh (Abb. 10) zeigt, dem Gewicht einer Quecksilbersäule non I— durchschnittlich 76 cm Höhe; benn so ein Quecksilberbaro- - I meter ist ja weiter nichts als eine mit Quecksilber ge- füllte und umgedrehte lange Glasröhre, in ber bas Quecksilber durc den Luftdruck zurückgehalten und am Ausflieszen verhindert wird. Wir schütten jetzt in unser Glasrohr soviel Quecksilber 3U, bis der Höhenunterschied in beiden Schenkeln 76 cm beträgt, so daß der Druck verdoppelt ist. Die Folge ist eine Derringerung des non der Luft erfüllten Raumes genau auf die Hälfte (ctbb. 9 II). Erhöhe ic durc Fortsetzung des Versuchs den Druck auf im ganzen drei Atmosphären, so geht der Luftraum auf den dritten Teil zurück (ctbb. 9III). Druck A und Gasraum (Dolumen) verhalten sic also genau um- M gekehrt 3ueinanber; in dem Masze, in dem der eine zu- 4 nimmt, nimmt der andere ab. Mit demselben Druck, " mit dem bas Gas gebrückt wirb, brückt bas Gas natür- qüeRiirber- lief) wieber, sonst würbe es ja noc mehr nachgeben. borometer. Was geschieht, wenn wir jetzt ben Druck unneränbert lassen, aber bie non bem Quecksilber abgesperrte Luftmenge erwärmen ? Sie dehnt sic bann aus, ähnlic wie ber Queckfilberfaben im Thermo- meter. Auc biefe Ausdehnung erfolgt, wie Gan-Eussac unb Dalton fanben, durchaus gefeßmäßig; sie beträgt, wenn ber Druck gleic bleibt, bei ber Erhöhung ber Temperatur um 10 genau 1/273 des- jenigen Raumes, ben bas Gas bei 0° einnimmt. Verhindert man eine Ausdehnung bei ber (Erwärmung, so nimmt ber Druck in bemfelben Betrage 3U, während er bei einer Abkühlung um 1° um biefen Betrag abnimmt. — 28 - Das Huffällige ist nun, daß sic alle Gase in dieser hinsicht ganz gleic verhalten, gleichviel ob man Luft, reinen Sauerstoff, Salzsäure, Ammoniak, Wasserdampf bei genügend hoher Temperatur ober sonst ein Gas zu öen Versuchen verwendet. Die individuelle chemische Natur scheidet öabei ganz aus. Wenn man Stoffe vergast, so ver- halten sie sic nac öer Vergasung in bezug auf Druck, Rauminhalt anöere, genau so, wenn man unö Temperatur eines wie öas Abb. 11. Louis Jojeph Can Lusjac. (Nac einem zeitgenössischen Stich.) einen anschaulichen Dergleic wählen will, wie Rebruten, öie zum Militär ausgehoben wer- öen. Vorher finö es noc Schneider, Schlosser, Kaufleute usw., nachher nur noc — Sol- Öaten. Wie kann unsere Atom- theorie öiefes gesetzmäszige unö gleichartige Verhalten öer Gase erklären? Wenn wir 1 ccm Wasser (öas ist 1 g) ver- öampfen, so geht es bei 100° in 1969 ccm Wafferöampf über. Wie macht es öas? Es dehnt sic aus, sagt man. Das glauben wir; soll öas aber eine Erklärung fein? Früher sagte man: es nimmt Wärmeftoff auf unö öer trennt öie Teilchen voneinander. Diese Deutung wiöerlegte schon Boyle durc eine einfache Wägung, durc öie er feststellte, daß öie blosze Erwärmung keine Gewichtszu- nahme im (Befolge hat, wie es öie Aufnahme von Wärmeftoff haben müszte. ©öer man behauptete: Die Teilchen ftofjen sic mit steigen- öer Temperatur immer lebhafter ab. So dachte Dalton sic öiefe ab» stoszenden Kräfte als feste Druckrichtungen, als Kraftstrahlen, in öer Art, wie sie Albb. 12 I, II unö III wieöergibt. Das ist aber weiter nichts als ein anöerer Ausdruck für öie beobachteten Tatsachen, jeden- falls keine befrieöigenöe, anschauliche Erklärung. Diese fanö man erst, als man auf öie Vorstellungen öer alten Atomisten von öer lebhaften Beweglichkeit öer Atome zurückgriff unö annahm, daß öas Verhalten öer Gase bei Temperatur» unö Druckänderung nur öer sichtbare Ausdruck öer unsichtbaren Bewegungen ihrer Mole- — 29 — küle sei, und daß 3. B. die Wärme jedes Körpers durc die Geschwin- digkeit feiner kleinsten Teilchen bedingt fei. Die Verdampfung des Wassers können wir dann so auffassen, daß die Geschwindigkeit der Wassermoleküle bei der (Erwärmung ständig steigt und schlieszlic so lebhaft wird, da^ die Moleküle die gegenseitige Anziehung über- winden und mit großer Heftigkeit in die Luft hin- ein — verdampfen. 3st der Dampf in einen be- grenzten Raum eingeschlos- fen, so trommeln sie äu- zers lebhaft auf die Wände und erzeugen da- durc den Dampfdruck, mit dem wir unsere Dampfmaschinen treiben. Bei dieser Vorstellung ist die chemische Natur der einzelnen Moleküle aller- dings neben} ächlic ; in Be- tracht kommtnur ihr Gewicht und ihre Geschwindigkeit, b.h. ihre Bewegungsenergie. Das gleichmäßige Der- halten aller Gase bei Temperatur- und Druck- Abb. 12. Wie sic Dalton die abstoszenden Kräfte zwischen Öen Gasmolekülen öes Stickstoffs (I), Wasser- stoffs (II) unö der Kohlensäure (HI) dachte. änderung ließ bei floogadro und bei Ampere die Dermutung entstehen, daß die (Entfernung der (Basmoleküle voneinander nur durc die ausdehnende Kraft der Wärme und durc den Druck be- stimmt wird, und daß diese (Entfernungen bei derselben Tempera- tur und demselben Druck gleic groß sind. Das war eine Schluszfolge- rung, für die kein zwingender Beweis vorlag, die aber sehr verlockend war, denn aus ihr folgte sofort, daß in gleic großen Räumen bei Temperatur- und Druckgleichheit gleic viel Moleküle enthalten find; dann hatte man auc ein einfaches Mittel zur hand, die Molekulargewichte gasförmiger Stoffe direkt miteinander zu vergleichen; man brauchte dazu nur das Gewicht gleicher Raumteile der Gase bei gleicher Temperatur und gleichem Druck zu bestimmen. — 30 — Wir könnten dann direkt wägen, wievielmal so schwer ein Molekül Wasser wie ein Molekül Wasserstoff ist und könnten berechnen, aus wieviel Atomen die Moleküle bestehen. (Einen ähnlichen Ge- danken hatte auc Dalton; er gab ihn aber bald wieder auf, da an- dere, wichtige Beobachtungen sic scheinbar mit ihm nicht gut ver- einen lieszen. Gay-Lufsac hatte sic für die Raumverhältnisse bei chemi- schen Umsetzungen von (Basen interessiert und hatte dabei äußerst interessante Feststellungen machen können. (Er fand 3. B., das sic 100 Raumteile Ammoniakgas mit genau 100 Raumteilen Salzsäure zu neutralem Salmiak Bereinigen, daß sic 100 Raumteile Wasser- stoss mit 50 Raumteilen Sauerstoff zu 100 Raumteilen Wasserdampf verbinden, daß sic 100 Raumteile Stickstoff mit 50, mit 100, mit 200 Raumteilen Sauerstoff zu verschiedenen Stickoxyden vereinigen, deren es übrigens noc mehr gibt. Gar-Lussac fand also, daß die Raumverhältnisse, in denen die Gase sic Bereinigen, Bor und nac der Umsetzung verblüffend einfache sind. Wie steht es nun angesichts dieser Tatsachen mit unserer An- nahme, daß gleich grosze Räume gleich oiel Moleküle enthalten? Nehmen wir Öen einsamsten Fall, öie Bereinigung Bon Wasserstoff mit Chlor zu Chlorwasserstoff ober Salzsäuregas.*) Dem Raume nac Bereinigt sic 3. B. 1 1 Wasserstoff mit 1 1 Chlor 3U 2 1 Salsfäure. Wüsten öa nicht in 11 Sal3fäuregas halb so oiele Heile enthalten fein wie in 1 1 Wasserstoff? Beim Wasser liegt öas Verhältnis ähnlich, nur verbinden sic 2 1 Wasserstoff mit 1 1 Sauerstoff 3U 2 1 Wasser- öampf. Diese (Tatsachen könnte man sic dürc folgende Darstellung öer Abb. 13 a unö b veranschaulichen, in öer öie Kreise öie Atome Abb. 13 a und b. Dadurch wäre unsere schöne Annahme widerlegt. *) Das geschieht, wenn man sie im Dunkeln mischt und bann be- lichtet, explosionsartig. — 31 hier kam Alvogadro auf einen in feiner Einfachheit genialen Ausweg. Er wurde ebenso wie Ampere gerade durc die eben be- sprochenen Versuche von Gan-Eussac in feiner Hypothese, daß die Gase in gleiten Räumen bei Temperatur- und Druckgleichheit gleich Diel Moleküle enthalten müszten, bestärkt, nur machte er, um die eben entgegengehaltene Schwierigkeit auszuschalten, die Zusatzan- nahme, daßz auc schon die kleinsten Heilten her Elementargase, 3. B. Dom Wasserstoff, Sauerstoff, Chlor usw., zusammengesetzt feien, und zwar aus zwei gleichen Atomen bestehen. Es tritt dann einfach, wie im Canzsaal, Umordnung der paare ein. Die oben gegebene Dar- Wir sehen sofort, daß die Rechnung jetzt stimmt. Das war ein auszerordentlic glücklicher Einfall.*) Trotzdem ver- mochte sic der (Brundgedanke noc nicht zu allgemeiner Anerkennung durchzusetzen. Das lag an verschiedenen Umständen. Zunächst ver- steifte sic Avogadro auf die an und für sic gar nicht notwendige Annahme, daßz die (Basmoleküle aller (Elemente aus zwei Atomen bestehen müszten. Damit kam man aber wieder in die Brüche. Der Schwefeldampf 3. B. kommt erst bei über 1000° in den Zustand, in dem fein spezifisches Gewicht im Derhältnis 3U Sauerstoff und Wasserstoff derartig ist, daßz man sein Molekül als 3weiatomig an- nehmen kann. Bis 3U 500° aber ist er dreimal so schwer; fein Molekül müszte unter 500° also aus sechs Atomen bestehen. Da die Natur sich nicht nach unseren Gedanken richtet, sondern wir in unseren (Bedanken den richtigen Enschlusz an die Natur finden müssen, wenn *) Ampere hatte einen ähnlichen gehabt, nur hatte er die ganz überflüssige Annahme gemacht, daßz die kleinsten Teilchen der Elementar- gase aus 4 Atomen bestehen. 32 — wir sie begreifen wollen, so müssen wir nachgeben und uns in diesem Fall zu der Annahme bequemen, daß die Moleküle von Elementar- gasen auc aus mehr als zwei Atomen bestehen können. Wir kön- nen bas um so eher, als wir dadurc obenbrein noc bas hauptgeset retten, ba^ in gleichen Räumen bie gleiche Anzahl von Molekülen vorhanden ist. Dieses überaus wichtige Avogadrosche Ges et erlaubt uns, bas Gewichtsverhältnis zu bestimmen, in bem bie Mole- küle verschiedener Gase zueinander stehen; es ist gleich bem Ge- wichtsverhältnis gleicher Gasräume, 3. B. von 1 1, bei gleicher Cem- peratur unb gleichem Druck. AIs Dergleichssubstanz bient wieber bas leichteste Gas, ber Wasserstoff. Da fein Molekül aus zwei Atomen besteht, so setzt man es gleic 2. Da 1 1 Sauerstoff 16 mal so viel wiegt als 1 1 Wasserstoff, *) so beträgt fein „Molekularge- wicht" 32 unb sein „Atomgewicht" bie hälfte, also 16.**) 1 1 Wafferbampf von 100° wiegt 9 mal so viel wie 1 1 Wasserstoff von 100°, sein Molekulargewicht ist also 18, b. h. es besteht aus 2 Atomen Wasserstoff vom Atomgewicht 1 unb einem Atom Sauer- stoss vom Atomgewicht 16. Nehmen wir noch als letztes Beispiel unfern gewöhnlichen Alkohol. Durc bie Analyse können wir fest- stellen, daßz in ihm auf 2 Atome Kohlenstoss 6 Atome Wasserstoff unb ein Atom Sauerstoff kommen. Die Analyse sagt aber gar nichts barüber aus, wieviel Atome Kohlenstoff im Molekül enthalten sind; es können 2, 4, 6 ober noch mehr Dielfache von 2 fein, hier hilft uns bie Molekulargewichtsbestimmung aus bem spezifischen Gewicht bes Alkoholdampfes. 1 1 Alkoholdampf erweist sic als 23 mal so schwer wie 1 1 Wasserstoff unter denselben Druck- unb Temperatur- Verhältnissen. Dann ist fein Molekulargewicht 46, so daßz fein Mole- kül tatsächlich aus 2 Atomen Kohlenstoff, beffen Atomgewicht 12 ist, 6 Atomen Wasserstoff unb 1 Atom Sauerstoff besteht. Während bas „Atomgewicht" eine ganz unveränderliche Zahl ist, kann bas Mole- kulargewicht schwanken, für Schwefel 3. B. von 192 bei 500° auf *) 1 l Sauerstoff wiegt bet 100 0 1,045 Gramm. 1 I Wasserstoff wiegt bei 100 0 0,066 Gramm. 1 l Wasserdampf von 100 0 wiegt 0,590 Gramm. **) Ulan beachte auc hier wie später immer wieder die ausschlag- gebende Bedeutung der Catsachen; ber eben herausgearbeitete natur- wissenschaftliche Begriff „Molekül" erscheint bet genauem hinsehen nur als eine anbere, kürzere Benennung ber experimentellen Catsachen, bie auch ohne den Molekülbegriff ihre auszerordentliche Bebeutung behalten. — 33 64 bet 1000°. Es gibt auc Gase, verschiedene Umstände sprechen dafür, bereu Molekül nur aus einem Atom besteht. Das ist 3. B. bei den sog. Edelgasen, wie Helium, Argon usw., der Fall, bann bei ver- schiedenen metalldämpfen wie Quecksilber, Zink, Natrium u. a. (Einen schweren Kampf hatte bas Elvogadrosche Gesetz noc mit ber Aufhellung ber molekularen Zusammensetzung bes gasförmigen Salmiaks zu bestehen. Salmiak entsteht in ziemlich lebhafter Reaktion unb unter Wärmeentwicklung, wenn man Salzsäure unb Ammoniak zusammenschüttet. (Er bildet nac bem Verdunsten bes Wassers ein weiszes Saig, bas sic beim Erhitzen verflüchtigt. Aus feiner Zu- sammensetzung berechnet sic fein Molekulargewicht zu 17 (Ammo- niak) + 36,5 (Salzsäure) = 53,5. Bestimmt man bas molekular- gewicht bes Gases, so ist es aber nur 26,75. Was nun ? Sinb hier bloßz halb so viel Moleküle im Liter Gas, daß es so leicht ist? Dann würbe bas Gesetz doc falsc fein? Der Ausweg, ber es retten könnte, liegt nahe: Nehmen wir an, bas Salmiakmolekül spalte sic bei ber Vergasung in zwei Teile, in Ammoniak unb Salz- säure, aus benen es entftanben ist, unb alles ist wieher in schönster ©rbnung. Diese Annahme ist um so wahrscheinlicher, als man für bas Molekulargewicht bes Ammoniumkarbonates, einer Verbindung non ßwei Molekülen Ammoniak unb einem Molekül Kohlensäure, im Gaszustand nur ben dritten Teil bes erwarteten fanb. hier wäre also bas Molekül in feine brei Beftanbteile zerfallen. Aber biefe Zersetzung müszte auc nachgewiesen werben, sonst wäre dieser Ausweg Don sehr zweifelhaftem Wert. Der Nachweis ist tatsächlich geglückt! Läszt man Salmiakdampf durc eine Glasröhre strömen, die an bem einen (Enbe in einen dicht anschlieszenden Conznlinder münbet, so muß ber Dampf durc beffen Poren hindurch; bies müszte ben leichteren Gasteilchen leichter gelingen, ba sie sic rascher be- wegen wie bie schwereren. Untersucht man bas austretenbe Gas mit feuchtem, roten unb blauen Lackmuspapier, so zeigt sich, ba^ bas blaue Papier unverändert bleibt, während bas rote sic blau färbt. Lackmus ist ein Farbstoff, ber mit Säuren rote, unb mit Alkalien blaue Farbtöne bilbet. Das austretenbe Gas reagiert also alkalisch, unb bas kann nur dadurc verursacht fein, daß es einen überschußz an Ammoniak enthält. Untersucht man bas in ber Glasröhre zurück- bleibenbe Gas, so zeigt sich, daß in ihm bas blaue Lackmuspapier rot wirb, hier überwiegt also bie Salzsäure. Der Versus liefert somit Zart, Bausteine des Weltalls. 3 — 34 — den Beweis, daß im Salmiak dampf Ammoniak und Salzsäure selbst- ständig nebeneinander vorhanden sind. So hat sic die Alvogadrosche Regel bisher noc allen Anfechtun- gen gewachsen gegeigt und sic siegreich behauptet. Sie gibt uns die Möglichkeit, das Verhältnis der Molekulargewichte zueinander und die Anzahl der Atome in einem Molekül zu bestimmen, und zwar zu- nächst, wie wir gesehen haben, bei ben gasförmigen Stoffen. Aber sie sollte nicht auf dieses Gebiet beschränkt bleiben. 3hr Geltungs- bereic griff auc hinüber in das Gebiet der Lösungen. Den Anlaß hierzu gaben folgende Beobachtungen. Füllt man eine gutverkorkte Flasche, deren Boden abgesprengt ist, mit Alkohol, überbindet sie dicht mit einem Stück Schweinsblase und setzt sie unter Wasser, so sieht man, wie die haut sic vor- wölbt und schliezlic dem starken Jnnendruck nachgibt und zerreiszt. Wie ist bas zu erklären? Wir wissen, ba& ber Alkohol nur sehr viel schwerer durc bie Blase hindurchkann als bas Wasser. Dieses wirb, sowie es durc bie Blase hindurch ist, sic infolge ber gegen- feitigen unbegrenzten Löslichkeit von Alkohol unb Wasser sofort in bem Alkohol verteilen. Immer mehr Wasser strömt nach, so lange, bis sein Druck auf beiden Seiten ber Blase gleich groß ist, ober, was auf basfelbe hinauskommt, bis gleic viel ber beweglichen Was- sermoleküle sowohl in bas Glas hinein als aus ihm heraus wanbern. Auc ber Alkohol wirb durc bie Blase hindurchgehen unb sic auf ber anberen Seite im Wasser verteilen. Da er aber nur sehr viel langsamer durc bie Blase hindurchgelassen wirb, wie bas Wasser, so wirb zunächst auf ber einen Seite, wenn ber Wasserdruck sic ausge- glichen hat, ein Überdruck bes Alkohols bestehen. Er ist es, ber bie Blase auftreibt. Statt bes Alkohols kann man auc eine wäßrige Zuckerlösung nehmen, bann beobachtet man basfelbe. hier werben bie Zuckermoleküle zurückgehalten unb erzeugen auf ber einen Seite ben überdruck. Es wäre interessant, bie Größze biefes Druckes zu messen. Das ist nicht schwer. Man braucht nur durc bie Korkstopfen ein von beiben Seiten offenes, langes Glasrohr in bie Zuckerlösung zu stecken. Dann wirb ber Druck sic barin äuszern, daß er bie Zuckerlösung in ber Glasröhre in bie höhe brückt (f. Abb. 15); er ist bann durc bie Höhe ber Flüssigkeitssäule birekt messbar. Man nennt ihn „osmo = — 35 tischen Druck".*) Eine genaue Messung mit Hilfe einer für Zucker ganz undurchlässigen, für Wasser aber durchlässigen Scheide- wand ergab, daßz eine 1 proz. Zuckerlösung bei 15,5° einen Druck von 0,684, bei 36° von 0,764 Atmosphären ausübt. Der Druck steigt also genau wie bei Gasen mit der Temperatur und, wie sic bei einer Umrechnung herausstellt, auc genau in derselben Weise. Das Molekulargewicht des Rohrzuckers, der aus 12 Atomen Kohlenstoff, 22 Atomen Wasserstoff und 11 Atomen Sauerstoff be= steht (C12 H22 O11 schreibt der Chemiker), beträgt 342. Lös man 342 g Rohrzucker (man nennt dies ein „Grammmolekül") in 11 Wasser, so beträgt der osmotische Druck dieser Lösung bei 22,5° 24,24 Atm., erreicht also eine stattliche Höhe. Lös man nur halb so viel, also 171 g in 1 1, so beträgt der Druck auc nur die Hälfte, 12,12 Atm. Also wieder eine merkwürdige Übereinstimmung mit Öen Gasgesetzen. Sie wird noc verblüffender, wenn man ausrechnet, welchen Raum ein Grammmolekül eines Gases, 3.B.2g Wasserstoff, bei 22,5° und 24,24 Atm. Druck einnehmen würde; das ist nämlic auc 1 1. Wir stehen also vor dem überraschenden Ergebnis, daßz her gelöste Stoff sic gerade so verhält, als ob öas Lösungsmittel gar nicht vorhanden wäre und er diesenRaum als Gas erfüllte. Folgende Anordnung macht das anschaulich: In ein Glas- *) Das Wort Osmose leitet sic von einem griechischen Wort ab, das Antrieb, Stoszen, Drängen, bedeutet. — 36 — gefäßz (siehe Abb. 16) giesze ic zuerst eine Zuckerlösung, setze dann einen dicht an die Wand anschlieszenden aber beweglichen Stempel darauf, der zwar Wasser, aber nicht Zucker durchläßzt, *) und schütte oben auf reines Wasser. Das Wasser drückt von oben und unten gleic stark. Die Zuckermoleküle stoßen nur von unten nac oben und treiben den Stempel in die Höhe. Durc einen entsprechenden Gegendruck, ein Gewicht etwa, kann ic das verhindern. Erhöhe ic öen Gegendruck, so bringt wohl Wasser, nicht aber Zucker durc öen Stempel nac oben, bie Zuckerlösung wirb konzentriert; vermindere ic ben Gegendruck, so wirb ber Stempel nac oben getrieben, Wasser geht nac unten hindurch, unb bie Zuckerlösung wirb verdünnt. Der Zucker verhält sic also genau so, als ob er ben Raum allein als Gas einnähme unb barüber sic ein Dakuum befänbe. Wie ber Zucker, verhalten sic auc viele anbere Stoffe. Man kann also auc bei Lösungen sagen: Wenn bei gleicher Temperatur ber osmotische Druck zweier gelöster Stoffe gleic groß ist, so enthalten sie in gleiten Räumen gleic viel Moleküle; bie in 1 1 3. B. enthaltenen Wengen geben bas Verhältnis ihrer Mole- kulargewichte an. Die Rufklärung biefer Verhältnisse, biefe Er- Weiterung ber Avogadroschen Regel, verdanken wir Rao ult unb Dan’t Hoff. Diese auzerordentlic interessanten Beziehungen ber gelösten Stoffe können natürlich dazu benutzt werben, unbekannte moleku- largewichte auf experimentellem Wege festzustellen. Schwierig ist es babei nur, immer geeignetes Waterial für bie Wänbe zu finben, bie wohl bas Lösungsmittel, aber auf keinen Fall ben gelösten Stoff hindurchlassen sollen. Glücklicherweise stehen anbere Eigenschaften von Lösungen in so enger zahlenmäßiger Beziehung unb innerer Ab- hängigkeit von bem osmotischen Druck, daß man sie statt feiner *) Eine haut, durc bie Wasser sehr leicht, Zucker aber gar nicht hindurchgelassen wird, kann man sic leicht auf chemischem wege her- stellen. Man füllt einen Conzylinder mit verdünnter Kupferjulfat- lösung unb taucht ihn in eine Lösung von Ferroznankalium. Die Sal3- Lösungen bringen in bie poröse Wanb ein, unb bort, wo sie sich treffen, entsteht durc Umsetzung bes Kupfersulfats mit bem Ferroznankalium Serrozyankupfer, bas in Wasser unlöslic ist. Es verstopft bie Poren ber Conzelle unb bildet bie für ben Zucker undurchlässige wand. Sprengt man ben Boden ber Conzelle ab, so kann man ihn als Waterial für ben Stempel in bem oben beschriebenen Dersuc benutzen. 37 — benutzen kann; es sind das, wie Dan’t hoff nachwies, die Siede- und die Gefriertemperatur der Lösungen. Der Siedepunkt liegt um so höher, der Gefrierpunkt um so tiefer, je größer der os- motische Druck, also die Konzen- tration der Moleküle des ge- lösten Stoffes ist. Man hat in der Erhöhung der Siede- temperatur und der Er- nieörigung des Schmelz- punktes einer Lösung gegen- über dem reinen Lösungsmittel, die für die gleiche Anzahl ge- läster Moleküle gleic groß finö, ein einfaches Mittel, das unbe- kannte Molekulargewicht eines gelösten Stoffes zu bestimmen. Auc hier wurden bald scheinbare Ausnahmen gefun- den, die, ähnlic wie bei den (Basen, das Gesetz in Frage stellten. So gaben wässrige Lösungen non Kochsalz, Salz- Abb. 17. 3. h. Dan’t Hoff. säure, Natronlauge und ähnlichen Stoffen viel höhere Druck- werte, als man erwartete, so daß 3. B. bei der wässrigen Salzsäure die Anzahl der Moleküle doppelt so groß, das Molekulargewicht aber nur halb so groß erschien als bei dem Salzsäuregas. Man half sic hier wie bei dem zu grossen Dampfdruck des Salmiaks. Der schwedische Forscher Arrhenius schlug nor, einfach anzuneh- men, da^ 3. B. das Gasmolekül Salzsäure in der Lösung in zwei Heile zerfiele, in Wasserstoff und in Chlor; das Molekül Kochsalz würde dann in feine Atome Natrium und Chlor gespalten fein. Pas war auch wieder so ein unglaublich kühner Gedanke, gegen den sic im Anfang bas Gefühl sträubte; wie sollten Natrium unb Chlor im Wasser vorhanden fein können, ohne ba^ bas Natrium sofort bas Wasser zersetzte ober beibe sich miteinanber verbänden ? Um bas er- klärlic 3u machen, mußzte man 3U einer 3weiten Annahme greifen, daß nämlich biefe Atome nicht gewöhnliche, sondern elektrisch geladene Atome feien. (Man sieht, ein guter Naturwissenschaftler bedarf ebenso- — 38 — sehr der Phantasie wie ein Künstler.) Nun stimmten wenigstens die Rechnungen. Es fanden sic aber auc zahlreiche andere Tatsachen, die die anfangs phantastisch erscheinende Hypothese stützten, so daß sie jetzt allgemein angenommen ist. So gab sie 3. B. eine glückliche Er- klärung bes Problems der Elektrolyse, d. h. der Verlegung von Stoffen durch den elektrischen Strom. Es würde zu weit führen, hier näher darauf einzugehen, aber man sieht, daß die Atom- und Mole- kularhppothefe immer, selbst unter den scheinbar schwierigsten Der- hältnissen imstande ist, ein einfaches System anschaulicher Erklärun- gen zu bilden. Es mag nur noch von dem osmotischen Druck erwähnt werden, daß er im Pflanzenreic eine auszerordentlic grosse Rolle spielt. Die Pflanzenzellen werden alle von einer schützenden Haut um- geben, die für Diele eingeschlossene lösliche Stoffe undurchlässig ist, während das Wasser ungehindert durch sie hindurchdringen kann. (Es tritt deshalb im Innern biefer Seilen ein hoher Druck auf, der oft Diele Atmosphären beträgt und die Seilwände prall auftreibt. Bei Wassermangel läßzt dieser Druck nach, die Zellhäute schrumpfen zusammen; daher sehen wir die Blätter bei anhaltender Dürre welk und durstgequält herabhängen. Doch zurück zu unseren Molekülen. Wir hoben sie bisher nur bei gasförmigen ober ähnlich weitläufig verteilten Stoffen beob= achtet, bei denen jedes Molekül selbständig ist. Aber schon bei hohen Konzentrationen ber Gase unb gelösten Stoffe verlieren die eben besprochenen Gesetzmäszigkeiten ihre Geltung, da alle mög- liehen (Einflüsse auftreten, die zu Abweichungen führen. (Es muß sic 3. B. ber Rauminhalt des einzelnen Moleküls geltend machen unb bie Zusammendrückbarkeit verkleinern; anbrerfeits aber wächst biefe wieber unverhältnismäßig stark, so ba^ wir annehmen müssen, daß bei genügenber Annäherung ber Moleküle auc eine gegensei- tige Anziehung eintritt, bie ja im festen Suftanb auszerordentlic stark werben kann. 3n biefem Folie fragt es sich, ob unsere (Basmoleküle als solche noch bestehen ober ob sie 3U größeren Komplexen zusam- mentreten? Sind uns (Eigenschaften Don Flüssigkeiten unb festen Körpern bekannt geworben, bie einen Dergleich Don Molekular- gewichten gestatten? Bei ben tropfbaren Flüssigkeiten ist bies ber Fall; bei ihnen gibt 3. B. bie Oberflächenspannung eine solche hand- habe. । 39 — Was ist Oberflächenspannung ? Ihre Wirkung kennt jeder, öenn jeder hat schon einmal Seifenblasen fliegen lassen. Erzeugt man eine Seifenblase an einem Pfeifenkopf unö läßt öie Öffnung des Mund- stückes frei, so zieht öie Seifenblase sich zusammen. Sie folgt öabei öem Zuge öer Oberflächenspannung, öeren Gröze man messen kann. Diese Spannung ist es auch, öie einem Waffertropfen oöer einem Queck- silberkügelchen öie Kugelgestalt verleiht, so öaß es aussieht, als ob sie in einer straff gespannten Gummihaut steckten, öie keine Un- ebenheit zuläszt. Die Ursache öiefer Oberflächenspannung sehen wir in öer Anziehungskraft öer Moleküle aufeinanöer. Sie ist bei jedem Stoff eine anöere. Wir wollen einmal öie öes Wassers messen. Dazu nehmen wir einen Drahtbügel, wie ihn beistehende Albb. 18 zeigt, und dessen Öffnung 1 cm breit ist. In dieser Öffnung ziehen wir mit einem Draht, der an dem Bügel gleitet, eine Wasserhaut aus. Durc ein an Öen Draht angehängtes Gewicht können wir öen Zug geraöe so groß machen, daß öie Wasser- Abb. 18. haut bis zur Grenze ihrer Haltbarkeit gespannt wirö. Dann ist öie Gröze öes Zuges gleich öem angehängten Gewicht unö dem Gewicht öes Drahtes zusammen, öas weröen in unserem Salle 0,15 g fein. Denken wir Öaran, daß öie haut zwei Oberflächen hat, so kommt auf jeöe ein Zug von 0,075 g. Diese Gröze ist öie Ober- flächenspannung öes Wassers; mit öiefer Kraft sucht sic ein Streit fen Wasseroberfläche von 1 cm Breite zusammenzuziehen. Die Ober- flächenspannung verändert sic aber auc mit öer Temperatur, unö zwar nimmt sie, wie jeder voraussagen kann, mit fteigenöer Cempe- ratur ab, öa sie beim Siedepunkt öer Flüssigkeit verschwindet. Diese Änderung öer Oberflächenspannung mit öer Temperatur ist öie Gröze, öie für ein Grammmolekül aller flüssi- gen einheitlichen Stoffe ungefähr gleic groß ist unö ihren Dergleic zuläßzt. Es hat sic gezeigt, öa^ öie Flüssigkeitsmoleküle meist noc öie Grösze öer Gasmoleküle haben. Bei manchen Stoffen öagegen, 3. B. bei Wasser, Ellkohol unö Essigsäure, haben sic Komplexe aus mehreren Gasmolekülen gebilöet. Die genaue Grösze öiefer Kom- pleze ist aber noc nicht festgestellt. Für öie Molekulargrösze öer festen Körper haben wir gar keinen fixeren Anhalt. Dafür liefert öer feste Zustand öer Stoffe überaus wichtige - 40 Daten zur Nachprüfung der Atomgewichte. Wir hatten diese Ge- wichte bisher aus Öen Gewichtsmengen abgeleitet, mit öenen öie Stoffe sic untereinanöer verbinden, ferner aus öer Gröze öer Mole- küle, auc aus öen Dolumverhältnissen, in öenen öie Gase sic chemisc vereinigen. Zur Feststellung öes Atomgewichtes eines Ele- mentes bestimmt man einmal öas Molekulargewicht von möglichst Dielen Verbindungen öiefes (Elementes, unö öann öie genaue u- sammensetzung öer Moleküle; öas gesuchte Atomgewicht ist öann öie kleinste Gewichtsmenge, öie non öem (Element in öen Molekülen gefunöen wurde. Die Nachprüfung dieser Berechnungen wird durc öie Atomwärmen fester Stoffe ermöglicht, mit öenen es folgenöe Bewandtnis hat. Nehmen wir 1 kg Wasser Don 0° unö gieren es zu 1 kg Wasser non 2°, so wirö jeder öen (Erfolg voraussagen können. Die Cempe- ratur wirö sic ausgleichen, unö wir erhalten 2 kg Wasser von 1 °. Welche Temperatur erhalten wir aber, wenn wir 1 kg (Eifen von 0° in 1 kg Wasser von 2° stellen? Das Thermometer wirö nur auf 1,876° sinken. Um 1 kg (Eifen von 0° auf 10 zu erwärmen, genügen schon 114 g Wasser Don 2°, öas sic öabei natürlich auf 10 ab- kühlt. Wir sehen öaraus, öa^ öas Eisen zu einer bestimmten Cempe- raturerhöhung Diel weniger Wärme braucht als öas Wasser. Wan nennt Öie Wärmemenge, öie 1 g Wasser bei öer Abkühlung um 10 abgibt, b3w. bei öer Erwärmung um 10 aufnimmt, eine Gramm- kalorie unö bezeichnet sie mit 1 cal. 1 g (Eifen gibt natürlich bei öer Abkühlung um 10 Diel weniger Wärme ab. Sie genügt geraöe, um 1 g Wasser um 0,114° zu erwärmen, beträgt also 0,114,cal. Diese Zahl 0,114 nennt man öie spezifische Wärme öes Eisens. Die öes Bleis ist noch geringer unö zwar 0,031. 3um Zeichen, wie ver- schieden öie spezifischen Wärmen öer ein3elnen Stoffe finö, feien noch einige angeführt. Die öes Nickels ist 0,108, öes Kupfers 0,095, öes Quecksilbers 0,032 usw. Unö nun finö wir auch gleich bei öen Atomwärmen, Öenn um sie zu erhalten, brauchen wir nur jede öer eben vorgeführten Zahlen öer spezifischen Wärmen mit öem Atom- gewicht öes betreffenöen Elementes zu multiplizieren. Man ver- steht also unter Atomwärme öie Wärmemenge, öie notwenöig ist, um öas Atomgewicht in Grammen öes betr. Elementes um 10 zu erwärmen. Wir erhalten also für Eisen: 55,8 x 0,114 = 6,41; Blei: 207,1 x 0,031 = 6,4; Nickel: 58,7 x 0,108 = 6,3; Kupfer: — 41 — 63,6 x 0,095 = 6,0. Das ist eine Überraschung ! Wenn wir vor- eilig wären, würden wir weiter schlieszen, daß die Atomwärmen sämtlicher (Elemente in festem Zustand nahezu gleic groß seien. Das trifft aber nicht allgemein zu. (Elemente wie Kohlenstoff und Bor, beren Atomgewicht unter 35 liegt, und die dabei eine hohe Schmelztemperatur besitzen, traben bedeutend kleinere Altomwärmen; für Kohlenstoff beträgt sie 3. B. nur 1,7. Diese Ausnahmen sind aber so gering an Zahl, daß unser Schluß für die meisten (Elemente als gültig angesehen werben kann. 3st nun für ein (Element die Größze des Atomgewichts zweifelhaft, so haben wir ein Mittel, uns zu entscheiden. Rehmen wir an, bas Atomgewicht bes Quecksilbers wäre unbestimmt. Aus ber Untersuchung bes Sublimats wissen wir, bafj in dieser Chlorverbindung auf 35,5 g Chlor 100 g Quecksilber kommen. Wenn bie Gröze bes Moleküls unbekannt wäre, wüßten wir nicht, ob bas Atomgewicht bes Quecksilbers 100, 200, 300 ober 400 betrüge, ob bas Molekül also 1, 2, 3 ober 4 Atome Chlor ent- hielte, hier hilft bie Atomwärme. Die spezifische Wärme bes Queck- filbers beträgt 0,032. 6,4 dividiert durc 0,032 ergibt runb 200, also ist bas Atomgewicht bes Quecksilbers 200, unb im Molekül Sublimat finb zwei Chloratome enthalten. Dieses (Ergebnis ist um so interessanter, als bas Molekulargewicht bes verdampften Queck- filbers auc 200 beträgt. Daher wissen wir, daß im Quecksilberdampf Molekül unb Atom identisch finb, daß bas Quecksilber beim Der- bampfen in Atome zerstäubt. So bekam man allmählich bas Gewichtsverhältnis ber Atome sämtlicher (Elemente heraus (immer auf bas Wafferftoffatom = 1 be- zogen), unb konnte nun baran gehen, bie (Elemente nac ber Größze ihrer Atomgewichte zu orbnen. (Es zeigten sic alle möglichen Regel- mäßzigkeiten, bie schlieszlic zu einem sehr genauen Prüfstein für bie gewählten Atomgewichte führten. Schreibt man bie (Elemente in ber Reihenfolge ihres Atom- gewichtes hintereinander, so finbet man, ba^ man Abschnitte machen kann, bereu Anfangsglieber einanber in ihrem chemischen Verhalten sehr ähnlic finb. Schreibt man biefe Abschnitte untereinanber (siehe Tabelle S.42), so ergeben sic ganz gesetzmäßige Beziehungen in ben Eigenschaften zwischen einem jeden (Element unb ben nächsten, bie es umgeben, Beziehungen, bie für bas ganze System gelten. Um biefe Gesetzmäszigkeit nicht zu stören, ist man gezwungen, manchmal 42 — Periodisches Snitem der Elemente Wasserstoff - 1. (Die Zahlen geben das Atomgewicht an). — 43 — Lücken in der Reihenfolge zu lassen, die andeuten, daß (Elemente in sie hineingehören, die wir noc nicht kennen. Als Sotharlener und Mendelejeff zum ersten mal unab- hängig voneinander diese Gruppierung vornahmen, waren diese Lücken noc sehr zahlreich. Sie reizten Mendelejeff, aus Öen um- gebenden (Elementen öie chemischen unö' physikalischen Eigenschaften öer noc unbekannten (Elemente zu berechnen. Ruf Grund öiefer Abb. 19. Modernes chemisches Laboratorium. (Das Laboratorium von Prof. Pr. Willstätter im Kaiser Wilhelm-Znstitut.) Stuöien beschrieb er zunächst örei Öamals unbekannte (Elemente, öie öas Atomgewicht 44, 70 unö 72,5 haben sollten, ganz genau. (Einige Seit später erlebte er unö mit ihm öie Wissenschaft den grossen Triumph, daß feine Prophezeiungen eintrafen. Die örei Ele- mente wuröen entdeckt unö hatten tatsächlich öie vorausgesagten Eigenschaften; sie heißen jetzt Scanöium, Gallium unö Germanium. (Es war eine glänzende Rechtfertigung öer Atomtheorie, ein Be- weis, daß Öen Atomgewichten eine berechtigte, tiefere Bedeutung zukommt. Worin öiefe Beöeutung besteht, können wir mit Sicher- heit noc nicht sagen. Ulan hat öarüber öie mannigfachsten Dermu= tungen ausgesprochen; sichere Forschungsergebnisse liegen aber noc nicht vor. Jedenfalls bilöet öiefes periodische System, öeffen Anord- nung verschiedentlich abzuändern unö zu verbessern versucht woröen _ 44 — ist, einen frönen Schlußstein für die ganzen atomistischen Überlegun- gen; es bildet aber auc gleichzeitig den Ausgangspunkt für überaus zahlreiche, neue Untersuchungen, und diese Eigenschaft ist mindestens ebenso wertvoll. Ihre grösste Belastungsprobe und eine weitere Entwicklung sollte die Atomtheorie auf dem Gebiet der Kohlenstoffverbindungen er- fahren. Diese Verbindungen unterscheiden sic so charakteristisch von allen anderen Stoffen, daß das feit dem alchmistischen 3eitalter ganz ungeheuer angewachsene Lehrgebäude der Chemie offiziell in zwei großze Teile geschieden wird, von denen der eine als organische Che- mie eben diese Kohlenstoffverbindungen, der andere als anorga- nische Chemie die Verbindung aller anderen (Elemente umfaszt. (Albb. 19 zeigt ein neuzeitliches Laboratorium für organische Che- mie.) Die Anzahl der Verbindungen, die der Kohlenstoff eingeht, ist so außerordentlich groß, daß diese (Einteilung, die früher aus einem ganz anderen ©runde*) vorgenommen wurde, jetzt, nachdem dieser ©rund schon lange hinfällig geworden ist, mit Recht beibehal- ten wird. ©reifen wir, um uns ein Beispiel vor Bugen zu führen, ein beliebiges anderes Element heraus, etwa das Eisen. Wie viele Verbindungen kennen wir vom Eisen mit Sauerstoff und Wasser- stoss ? Es find höchstens ein Büßend oder ein paar mehr. Was bedeutet diese Zahl aber gegenüber den vielen taufend Verbindungen, die der Kohlenstoff mit den beiden ©lementen eingeht. Ben ©rund für diese feine Ausnahmestellung lehren uns die Molekulargewichtsbe- ftimmungen kennen. Sie zeigen, daß sich in einem einzigen organi- sehen Molekül eine ungewöhnlich große Zahl von Kohlenstoffatomen anhäufen und miteinander verketten kann. Während man es in der anorganischen Chemie bei einer bestimm- ten pro3entualen Zusammensetzung immer mit nur einem einzigen Stoff zu tun hatte (jetzt find auch hier schon Ausnahmen bekannt), fand man in der organischen bald, daß die verschiedensten Stoffe die- selbe Zusammensetzung haben können. Ber erste Fall dieser Art, der bekannt wurde, erregte nicht geringes Aufsehen, ©r brachte zwei Gelehrte hart aneinander, da jeder vermutete, daß der andere einen Fehler begangen hätte. Als einfachstes Beispiel kann man das Azetylen und bas Benzol anführen, beren Verschiedenheit jeder- *) Klan nahm früher an, die Kohlenstoffverbindungen Könnten nur in Organismen durch die sogenannte Lebenskraft erzeugt werden, daher der flame: Organische Chemie. — 45 mann bekannt ist. Sie bestehen beide aus 92,3 % Kohlenstoff und 7,7 0/0 Wasserstoff. Den Grund ihrer verschiedenen Natur enthüllt uns das Molekulargewicht; es beträgt für das Azetylen 26, für das Benzol 72, d. h. das Molekül des Azetylens (C, H,) besteht aus 2 Altomen Kohlenstoff und 2 Atomen Wasserstoff, während das des Benzols (Cg Hg) je 6 von ihnen enthält. Dies zeigt, wie auszer- ordentlich wichtig die Bestimmung des Molekulargewichtes (siehe S. 32) für die organische Chemie ist. Bald stellten sic aber Fälle ein, in denen auc die Molekularge- wichte zweier durchaus verschiedener Stoffe bei gleicher prozentualer Zusammensetzung gleich waren. Ein bekanntes einfaches Beispiel hierfür bildet der gewöhnliche Weingeist ober Äthylalkohol und der Methyläther. Der eine siebet bei 78°, ber anbere ist ein Gas, bas erst bei — 230 flüssig wirb. (Ebenso ist bas chemische Verhalten beiber durchaus verschieden. Beiber Moleküle aber bestehen aus zwei Alto- men Kohlenstoff, sechs Atomen Wasserstoff unb einem Atom Sauer- stoss (C, HO). Wie kann bie Altomtheorie biefe Tatsachen erklären? Sie hat dazu ein ganz neues, bisher unbenutztes Register aufgezogen, nämlic bie verschiedene Anordnungsmöglichkeit ber Atome im Mole- kül. Um sie in ihrer ganzen Tragweite zu verstehen, müssen wir uns eine befonbere Eigenschaft ber Atome etwas genauer ansehen. Dom Wasserstoff weiß man, daß er nie mehr als ein anberes Atom an sic zu fesseln vermag, in ber Salzsäure 3. B. nur ein Chlor- atom. Man nennt ihn deshalb „einwertig", zum Unterschied von anberen (Elementen, bie in biefer Hinsicht weitherziger finb. Der Sauerstoff ist 3. B. im Wasser mit zwei Atomen Wasserstoff ver- bunben, er wirb deshalb als „zweiwertig" bezeichnet. Entdeckt man eines Cages, daß er noc mehr Atome aufnehmen kann, (bas ist in Wirklichkeit schon geschehen), so wirb man feine Wertigkeit eben höher einschätzen; meistens ist er aber tatsächlich „zweiwertig". Der Stickstoff, ber gleichsam bas tragenbe Atom bes Ammoniaks unb ber Salpetersäure ist, erweist sic in manchen Fällen als fünfwertig, 3.B. im Salmiak unb ber Salpetersäure; im Ammoniak aber, wo er nur mit drei Atomen Wasserstoff verbunden ist (NH3), ist er breiwertig. Das Kohlenstoffatom ist im Höchstfalle vierwertig, 3. B. im Gruben- gas ober Methan (CH), in bem es von vier Wafferftoffatomen be= setzt ist. Run kommt bie gesuchte (Erklärung. Sinb in einem Molekül mehrere „mehrwertige" Atome vorhanden, so ist natürlich eine ver- 46 — schiedenartige Anordnung möglich. Rehmen wir 3. B. öen Äthyl- alkohol unö öen methyäther C, H,O vor; in ihnen müssen sic öie „einwertigen" Wasserstoffatome H um öie „vierwertigen" Koh- lenstoffatome C unö das „zweiwertige" Sauerstoffatom 0 gruppieren. Wir können, wenn alle „Wertigkeiten" in Aktion treten sollen, folgende anschauliche Gruppierungen vornehmen: H H H H II II 1) h —C —C —0—H oöer 2) H—C—0—C—H II II H H H H in öenen öie Buchstaben öie Atome unö öie Striche öen Ausgleic öer anziehenden Kräfte bedeuten; andere Anordnungen sind nicht denk- bar. Diese Gruppierung ist kein müßiges Spiel, öenn sie gibt eine genügende (Erklärung für öas verschiedene chemische Verhalten öer beiöen Stoffe. Dem Äthylalkohol, in öem ein Wasserstoffatom ähn- lic wie im Wasser mit einem Sauerftoffatom verbunden fein mußz, kommt öie erste „Konstitutionsformel" (so nennt man öiefe Gruppierungsbilder) zu, öem Methyläther öie zweite. Aluc öie verschiedene Molekulargrösze öes vorher erwähnten Alzetnlens unö Benzols wirö durc solche Konstitutionsformeln er- klärt. Jm Azetylen, in öem mit zwei Kohlenstoffatomen nur zwei Wafferftoffatome verbunden sind, nimmt man an, öa^ öie übrig bleibenöe Anziehungskraft öer Kohlenstoffatome sic gegenseitig ab- sättigt unö schreibt öas in folgenöer Weife: H—C=C —H. Sür öas Benzol hat sic öie folgenöe Anordnung in hinsicht auf feine Eigenschaften als sehr geeignet erwiesen: H C H—C C—H II I H—C C —H c H ohne daß man aber öarauf schwören könnte, daß öie Anziehungs- kräfte öer Atome geraöe so unö nicht anöers verkoppelt finö. Je — 47 komplizierter der Bau der Moleküle wird, um so zahlreicher werden ja auc die Erklärungsmöglichkeiten und wahrscheinlich auc die Kräftebeziehungen zwischen ben vielen Atomen. Die bisherigen Sor- melbilder sind daher nur als ganz grobe, anschauliche Notbehelfe auf- zufassen. . _ Die Geschichte wird aber noc viel komplizierter. ES finden sic nämlic Stoffe, bie nicht nur dieselbe prozentuale Zusammen- setzung unb dasselbe Molekulargewicht besitzen, sondern ihrer ganzen chemischen Abstammung und ihrem Verhalten nac denselben Ruf- bau zu haben scheinen, unb bie trotzdem feine Unterschiede aufweisen, so ba^ man sie als verschieden betrachten mußz. Diese Fälle finb sogar ziemlic häufig; so gibt es berartig verschiedene Milchsäuren, Wein- säuren, Zuckerarten, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Der- schiedenheit, um bie es sic hier handelt, besteht hauptsächlich in bem Verhalten gegen polarisiertes Licht. Was ist polarisiertes Licht ? Zur Erklärung fei zunächst eine grobe Analogie gebracht. Man nehme zwei Bücher her unb stelle sie so hintereinander auf, ba^ bie Blattflächen in ber gleiten Richtung verlaufen. Ein bünnes, langes £ineal, bas man durc bas erste Buc schiebt, geht bann auc leicht durc bas zweite hindurch. Dreht man aber bas zweite Buc quer, so geht bas Lineal nicht mehr durc biefes hindurch. (Ebenso, wie sic bas Lineal zu ben Büchern verhält, verhält sich, so stellt man es sic vor, bas polarisierte Licht zu bestimmten Stoffen. Durc gewöhnliche Glasplatten geht bas Licht ungehindert hin- durch, so Diele ic ihrer auc hintereinanderstellen mag. Schneidet man aber aus einem Curmalinkristall in ber Richtung feiner Haupt- achse zwei parallele Plättchen heraus, so ist bas Licht, bas durc bas erste Plättchen hindurchgegangen ist, schon polarisiert. Es geht durc bie zweite platte zwar auc noc hindurch, wenn biefe gleichgerichtet bie erste bedeckt, nicht mehr jedoch, wenn sie quer zur ersten gedreht wirb (siehe Abb. 20a unb b). Die überdeckte Stelle erscheint infolgedessen dunkel. Ulan stellt sic nor, daß durc bie erste platte nur Licht hindurchgeht, bas eine ganz bestimmte, einseitige Schwingungsrichtung hat, etwa in ber (Ebene bes Lineals in bem obigen anschaulichen Dergleich, unb daß bie Curmalinplättchen sic gegenüber biefem Lichtstrahl so verhalten wie bie Bücher zu bem Lineal. — 48 — Bringt man nun zwischen die gekreuzten Curmalinplättchen die Lösung der Milchsäure, die aus dem Liebigschen Sleischertrakt ge- wonnen werden kann, so wirb das dunkle Feld etwas aufgehellt, und man muß die zweite Curmalinplatte in Stücke drehen, bis wieder Dunkelheit . eintritt. d Ulan nennt diese Milchsäure daher optisc wirksam, optisc aktiv und sagt, die Schwingungsebene des polarisierten Lichtes ist in der Lö- sung gedreht worden. Und nun kommt der Unterschied ! Bei der eben genannten Milchsäure muß ""Tafen »s3“^ man die zweite Curmalinplatte et- was nac rechts, bet einer anderen dagegen, die beim Wachstum eines bestimmten Pilzes (Bacillus acidi laevolactici) in Rohrzuckerlösung entsteht, um ebensoviel nac links drehen, um wieder größte Dunkelheit zu erhalten. Die eine Milchsäure ist „rechtsdrehend", die andere „linksdrehend". Aluc eine unwirksame Milchsäure gibt es, deren Lösung bas dunkle Feld ber gekreuzten Curmalinplättchen nicht aufhellt; es ist die Milchsäure, die sic in der sauren Milch, im Sauerkraut, in sauren Gurken vor- findet. Sie erweist sic bei näherer Untersuchung als ein Gemisc der beiden wirksamen Formen; läszt man den Pilz Penicillium glau- cum in der Lösung ihres Ammoniumsalzes wachsen, so wird die rechtsdrehende Säure »erbraust und die linksdrehende bleibt übrig. Mit Hilfe des Strychninsalzes gelingt sogar eine Trennung der beiden Säuren. Dieses Strychninsalz erhält man, wenn man eine Lösung der gewöhnlichen Milchsäure, 3. B. aus saurer Milch, mit einer £ö- fung des als starkes Gift bekannten Strychnins versetzt. Beim Ein- dunsten dieser Lösung kristallisiert zuerst das Strychninsalz der links- drehenden Säure aus, und in der Lösung bleibt das der rechtsdrehen- den Säure zurück. Das verschiedene Verhalten der beiden Säuren gegen das pola- rifierte Licht deutet auf einen grundlegenden Unterschied im Bau der Moleküle. Dermag die Altomtheorie ihn anzugeben ? Dan’t hoff und gleichseitig Le Bel besannen sic auf eine noc unverwertete Möglichkeit für die Anordnung der Moleküle, nämlic ihre Verteilung im dreidimensionalen Raum; bisher hatte man aus Bequemlichkeits- — 49 — gründen immer nur die (Ebene des Papiers zur Veranschaulichung benutzt. Das Milchsäuremolekül ist folgendermazen aufgebaut: H HC—C— CC2H. 0—H Diese Formel ist nac unseren Ausführungen wohl ohne weiteres verständlich. Stellen wir uns die Anordnung räumlic vor, und zwar um das mittelste Kohlenstoffatom gruppiert, so können wir per- spektivische Bilder zeichnen, wie sie Abb. 21 zeigt. Sie feigen einander zunächst völlig gleich, und sind doc nicht iden- tisch. Ulan versuche einmal in Gedanken das rechte so in das linke zu schieben, daß nur gleiche Ecken aufeinanderfallen, unb man wirb zu feiner Überraschung merken, daß bas nicht geht; bas eine ist nämlic bas Spiegelbilb bes anbern, sie verhalten sic wie bie linke Hand zur rechten. Der Grund hierfür liegt barin, ba^ alle vier Bindungsmög- lichkeiten bes mittelsten Kohlenstoffatoms ganz verschieden besetzt finb.*) Sinb nur zwei von ihnen gleich besetzt, wie in der Propion- säure (Abb. 22), so ist bie Seitenverkehrtheit nicht mehr vorhan- ben; es gibt baher auc nur eine Propionsäure. Abb. 21. Raumformel des Milchsäure- Albb. 22. Raumformel des Moleküls moleküls. der Propionsäure. Alle Stoffe, die ein viersac verschieden beanspruchtes Kohlen- stoffatom besitzen, treten auc in verschiedenen Sormen auf, die po= tarifiertes Eicht rechts bzw. links drehen. Was für komplizierte Der- hältnisse sic einstellen, wenn in einem Molekül mehrere „asym- metrische" Kohlenstoffatome vorhanden sind, wie 3. B. in nieten Suckerarten, wo es gleic vier sind, mag sic jeder ausmalen. Er- wähnenswert ist dabei übrigens, daßz alle die verschiedenen Zucker- *) Man nennt solc ein Kohlenstoffatom „asymmetrisch". Zart, Bausteine des Weltalls. 4 — 50 — sorten, die man sic hiernac nur ausdenken kann, auc tatsächlic synthetisch dargestellt und in ihrem räumlichen Aufbau genau er- forscht worden sind, und zwar zum grössten Teil von EmilSischer. Daß diese Spiegelbildähnlichkeit der Moleküle kein bloszes Ge- dankengebilde, sondern vermutlich in Wirklichkeit vorhanden ist, dafür sprechen manche Kristallbildungen. Pasteur hatte 3.B. schon vor der theoretischen Aufklärung dieser Verhältnisse beobachtet, daß die Kristalle des Aatrium-Almmoniumsalzes der rechts- und der linksdrehenden Weinsäure ebenfalls in spiegelbildähnlichen Formen auftreten; Albb. 23 stellt dieses Beispiel dar. So ruhen in der Atom- und Molekulartheorie noc viele An- passungsmöglichkeiten, Fähigkeiten, die nur darauf warten, durc Versuche und Beobachtungen ans Licht gebracht zu werben. Ihnen hier nachgehen, hiesze ein Lehrbuc der Chemie schreiben. Die an- geführten Beispiele waren nur ein paar charakteristische proben. III. Unbekümmert um den Spott und die Begriffsklaubereien der Philosophen hat die Raturwissenschaft, zuerst angeregt durc die reine Philosophie, dann aber weiterhin selbständig ihre Atom- und Mole- kulartheorie aufgebaut, hat sic in ihr ein einfach gegliedertes Gerüst errichtet, an dem sie ihre reiche experimentelle Erfahrung übersicht- lic ordnen bann. Wenn man zurückdenkt, wie die Dorstellungen des Molekulargewichts, des Atomgewichts, der Konstitutionsformeln bis in ihre räumliche Auslegung hinein geschaffen wurden, so findet man, daß sie anschauliche, leistungsfähige Vereinfachungen sind, Bil- der, die nur das Wesentliche der überaus reichen, verwirrenden Catsachenfülle festhalten. Sie haben die augenblicklich gültige Gestalt in einem langsamen Entwicklungsprozeß unter ständiger Anpassung an unseren wachsenden Erfahrungsschatz bekommen. Da ist es nicht weiter verwunderlich, würbe ein Widerspruchsgeist und prinzipieller Zweifler sagen, wenn die Stoffe sic so verhalten, als ob derartige Moleküle und Atome existierten; wir haben sie ja zu dem Zwecke in unserer Phantasie zurechtgezimmert. Diele Generationen von Che- mikern und Physikern haben ihre Beobachtungen in diese Symbole hineingeheimnist, haben diese Symbole der Erfahrung auf den Leib zugeschnitten, und jeder Chemiker lernt nun ihre reiche Bedeutung einfach auswendig; denn bequem sind sie, darüber herrscht kein Zweifel. Aber die Naturwissenschaft hat schon viele Hypothesen ster- ben sehen, vielleicht wirb sie auc eines Cages ihre Atome unb Mole- büle zu Grabe tragen. Denn wenn man glauben soll, baf) sie wirk- lic unb leibhaftig existieren, so müssten bafür doc „handgreifliche" Beweise beigebracht werben. Welc ein Triumph, wenn sic solche Nachweise wirklich auftrei- ben liessen! Dazu müssten wir uns für eine Reife in bas Reic ber — 52 — Zwerge rüsten, des Kleinsten, Winzigsten, was sic überhaupt nach- weifen, wägen, sichtbar machen läszt; denn nun käme es darauf an, dem einzelnen Molekül und Altom auf Öen Leib zu rücken. Wie weit gelangen wir wohl in dieser Richtung mit all unserer Kunst ? Welches find die geringsten, noc erkennbaren Klengen eines Stoffes? Wenden wir uns zuerst an die Chemiker, die ja sehr feine Me- thoden zum chemischen Nachweis non Stoffen haben. Sie weifen 3.B. die Anwesenheit eines Magnesiumsalzes in einer Lösung dadurch nach, daß sie zu dieser Ammoniak und Natriumphosphatlösung zu- geben. Es bildet sic durc wechselseitige Umsetzung das in Wasser auszerordentlic schwer lösliche Magnesium-Almmoniumphosphat, das auskriftallifiert. Dieser Niederschlag ist so charakteristisch, daß an ihm unter dem Mikroskop noc die Anwesenheit non 0,000 000 02 g Magnesium erkannt werden kann. An derartig viele Nullen hinter dem Komma werden wir uns nun rasc gewöhnen müssen. Dorftellen kann man sic derartige Kleinheiten — wir kommen noc weiter herunter, — schwer. Es kommt schlieszlic nur noc darauf an, die Hullen hinter dem Komma zu zählen, und dazu schreiben wir die obige Zahl praktischer 2 >108, wobei die Sahl 10" angibt, daß die 2 in der achten Stelle hinter dem Komma steht. Es kommt gleich noc besser. Die Anwesenheit von Säuren und Alkalien untersucht man mit rotem und blauem Lackmuspapier (f. S. 33). Emic färbte Seide mit Lackmusfarbstoff, um durch ein einzelnes gefärbtes Seidenfädchen bei Betrachtung unter dem Mikroskop ein Prüfungsmittel für un« gewöhnlich geringe Säure» und Alkalimengen zu erhalten. Um die Grenze festzustellen, bis zu der diese Methode leistungsfähig ist, ver- dünnte er Natronlauge fortgesetzt mit reinstem Wasser und prüfte einen ganz kleinen Tropfen unter dem Mikroskop mit einem roten Faden der Lackmusseide. Er konnte auf diese Weife noch 3 X 10-10 g Ätznatron erkennen und mit einem blauen Fädchen 2 x 10" g Schwefelsäure. Dieses unglaublich feine stoffliche Unterscheidungsvermögen ist aber keine Kunst, die etwa der Chemiker erfunden hat. Klan denke nur an die feine Spürnase eines Poli3eihundes! Ic weiß nicht, ob schon jemals die untere Grenze für die Reaktionsfähigkeit solch einer Hundenase festgestellt worden ist. Das wäre jedenfalls sehr interes- — 53 — fant. Unserer Aase muß man im Verhältnis dazu schon recht deutlich werden, wenn sie etwas merken soll; für ganz starke Gerüche geht ihr Aluffassungsvermögen aber doc recht weit. Emil Fischer und Pensoldt machten folgende bemerkenswerte Versuche. (Einer von ihnen verstäubte in einem geeigneten, leeren immer geringe Men- gen stark riechender Stoffe und mischte die Luft durc Wehen mit Abb. 24. Seifenblasen. (Hac einer Originalzeichnung von C. Schmauck.) einer Sahne gut durch. Dann kam der andere herein, um festzu- stellen, ob und wonac es rieche. Wenn er einen Geruc gerade noc richtig wahrnahm, so konnte man aus der Gröze des Simmers, der darin verstäubten Substanzmenge und dem hohlraum der Nase, dessen Gehalt an riesender Substanz allein für die Wahrnehmung in Frage kommt, die unterste Grenze des Wahrnehmbaren aus- - rechnen. Es stellte sic heraus, daß von der äusserst unangenehm rie- senden Substanz Mercaptan noc 2,2 . 10-1 g gerochen werden konnten. — 54 — Ähnlic groß ist die Empfindlichkeit gewisser Bakterien, win- ziger, einzelliger Lebewesen, gegenüber Sauerstoff. Steht ihnen in dem Wassertropfen, den sie bevölkern, Sauerstoff zur Derfügung, so sind sie in lebhafter Bewegung. Geht der Sauerstoff aus, so hört die Bewegung auf. (Eine noc so winzige Luftblase aber macht sie wieder munter. Prof. (Engelmann, der sie beobachtete, berechnete aus der Gröze der Luftblase und dem bekannten Gehalt der Luft an Sauerstoff, daßz die Bakterien auf weit weniger als 1 . 10-1 g Sauer- stoss ansprechen und diese winzige Menge desselben also nachweisen. Übrigens kann man auc durc direkte Wägung noc sehr ge- ringe Substanzmengen feststellen. Man hat für gewisse wissenschaft- liche Zwecke, 3. B. zur Messung der Gewichtsveränderungen radio- aktiver Stoffe, auszerordentlic empfindliche Wagen, sog. Mikro- wagen, konstruiert, mit denen noc Gewichtsunterschiede von 4.10g (das find also vier Millionstel Milligramm) zu ermitteln find. Goloschläger vermögen Gold so dünn auszuhämmern, daß es grün durchscheinend wird und eine Dicke von ungefähr 1/10000 mm hat. Wie man solche geringe Dicke miszt ? Das ist in diesem Falle leicht. (Ein kleiner Goldwürfel von der Gröze eines Kubikmillimeters wirb zu einer zusammenhängenden Metallhaut von 10 000 qmm Ober- fläche auseinanbergetrieben. Der Rauminhalt bleibt gleich, 1 cbmm, also muß bie Dicke ber haut = 1/10000 mm betragen. (Ein würfelför- miges Goldteilchen von biefer Kantenlänge würbe 2 . 10"" g wiegen. Klan kann aber noc bünnere häute herstellen. Mancher hat vielleicht schon an Seifenblasen, kurz bevor sie platzen, schwarze Flecken auftreten sehen. Das finb scheinbar bie bünnften Stellen, bie uns hier natürlich befonbers interessieren. Um ihre Dicke zu messen, müßten sie von etwas längerer Dauer fein. Diese kann man erzielen, wenn man berartige bünne Flüssigkeitshäute unter einer Glasglocke in einer mit Wasserdampf gesättigten Atmosphäre erzeugt, unb zwar zwischen bünnen Drahtbügeln, wie sie die Abb. 18 zeigt. Spannt man in ihnen bie Flüssigkeitshaut bis zum Auftreten ber schwarzen Flecken, so meint man zunächst, es wären Löcher, bis man sieht, daßz sic helle Gegenstände in ihnen spiegeln. Bei weiterem Ausziehen treten in ihnen noc dunklere Flecke auf, bie noc bünner finb. Sie finb in ber dampfgesättigten Atmosphäre beliebig lange haltbar, unb man kann sie mit Musze ftubieren. Sie finb — 55 — an und für sic unsichtbar und verraten ihr Vorhandensein nur dadurch, daß sie sehr hell leuchtende Gegenstände, wie 3. B. die Sonne, schwac widerspiegeln. Jhre Dicke zu messen, ist nicht gerade leicht. Klan kann es 3. B. so machen, daß man ihrer viele hinter- einanderstellt und dann miszt, welche Verzögerung ein Lichtstrahl erfährt, wenn er durc sie hindurchmusz. (Dutc Wasser geht das Licht bekanntlich langsamer wie durc Luft.) Vergleicht man dann, wie dick die Schicht einer zusammenhängenden Seifenlösung ist, in der der Lichtstrahl dieselbe Verzögerung erleidet, und teilt diese Dicke durc die Anzahl der Häutchen, so hat man deren Feinheit. Sie betrug an den dünnsten Stellen 6 . 10:1 cm. Eine noc dünnere haut bann man auf viel einfachere Weise aus Öl auf Wasser er3eugen. Bringt man einen Kröpfen Öl, 3. B. Olivenöl, auf Wasser, so breitet er sic rasc über dessen ganze Ober- fläche aus. Durc Verkleinerung des Kröpfens und Dergröszerung der Wasseroberfläche wird die Ölhaut immer dünner, so dünn, daß sie gar nicht mehr gesehen werden kann. 3hr Vorhandensein lägt sic aber auf andere Art sicher nachweisen. Wirft man ein Stückchen Kampfer auf reines Wasser, so fährt es auf der Oberfläche unruhig hin und her. *) Gibt man aber zuerst einen Kröpfen Öl auf bas Wasser und wirft dann das Kampferstückchen darauf, so bewegt es sic nicht mehr, auc wenn die Ölhaut nicht zu sehen ist. Geht man bei neuen Versuchen mit der Menge des Öles immer mehr her- unter, so erreicht man schlieszlic einen Grenzzustand, bei dem die Kampferstückchen sic wieder zu bewegen beginnen, ein Zeichen, bag bie Ölhaut scheinbar nicht mehr vollständig zusammenhängt. An dieser Grenze hat sie eine Dicke von 0,000 000 2 cm (2>10 ).**) Ein Ölteilchen, bas einen Würfel von biefer Kantenlänge ausfüllt, würbe weniger als 8 x 1041 g wiegen. Würbe man bann annehmen, bag bie haut aus einer doppelten Moleküllage bestehe, so würben in biefem öltropfen acht Moleküle entgalten fein, unb ein Molekül Olivenöl bönnte höchstens 1 .10:21 g wiegen. Das Molekulargewicht bes Olivenöls beträgt 884; bas Atomgewicht bes Wasserstoffs ist 1. *) Dies kommt daher, bag an den Stellen bes Wassers, an benen sic der Kampfer löst, bie Oberflächenspannung bes Wassers bebeutenb herabgesetzt wirb, so bag jic um den Kampfer herum Spannungsunter» schiede ausbilden, bie, selbst rasc wechselnd, ihn hin unb her zerren. **) Die Sahl bann aus ber Ölmenge unb ber ffiröge ber Wasser- oberfläche leicht beregnet werben. — 56 — Wir könnten also sogar das absolute Gewicht eines Wasserstoffatoms schätzen und es ungefähr tausendmal so leicht annehmen wie das Gewicht, das auf das Ölmolekül kam. Ein Wasserstoffatom würde dann 1 x 10-24 g wiegen. Als sehr empfindlich galt früher der Nachweis mancher (Elemente durc die Slammenfärbung. Bringt man bei Dunkelheit Kochsalz ober besser noc Soda in eine farblose Spiritus- ober Gasflamme, so erstrahlt sie in intensiv gelbem Licht, alle Umstehenden mit Leichenfarbe anhauchend. Diese gelbe Farbe ist durc bas Natrium in bem Salz verursacht unb für biefes (Element charakteristisch. Unter geeigneten Bebingungen kann man an biefer Slammenfärbung noc 7 . 10-10 g Natrium erkennen. Das ist nac ben Zahlen, bie wir schon gesehen haben, nicht oiel. Da ist ber Nachweis mancher organi- schen Farbstoffe, bie sic wie bas Fluoreszein durc besonders starke Fluoreszenz auszeichnen. Diel genauer. Die Derbünnte wäßrige Lö- fung feines Ratriumsalzes sieht in ber Durchsicht, im durchscheinen- ben Licht, gelbrot aus, in ber Aufsicht aber, also im reflektierten Licht, lebhaft grün. Dieses grüne Leuchten ist bie Fluoreszenzfarbe. Sie ist auc bei auszerordentlic starker Derdünnung noc wahrnehm- bar. Um bie kleinsten Mengen Fluoreszein festzustellen, bie man durc bie Fluoreszenz noc erkennen kann, verfährt man folgender- maszen. Man betrachtet unter bem Mikroskop bei starker Dergröze- rung einen Wropfen ber Lösung, inbem man ihn mit einem quer (senkrecht) zur Beobachtungsrichtung einfallenden, intensiven Licht- strahl beleuchtet. Dann gelangt kein birektes, fonbern nur bas grüne Fluoreszenzlicht in bas Auge. Hun Derbünnt man bie Lösung, aus ber man bie Tropfen nimmt, immer mehr, so lange, bis bie grüne Farbe gerabe noc wahrnehmbar ist. Dies tritt ein, wenn 1 g Sluo- refsein in 1000 1 Wasser gelöst ist. Der Sarbstoff, ber in bem zur Beobachtung verwandten kleinen Tropfen enthalten ist, beträgt bann ben millionsten Weil bes Cropfengewichts, wiegt also 1 x 10-18 g. Was bei bem letzten Dersuc beobachtet worben ist, ist nur bie Fluoreszenz ber Lösung. Die Lösung selbst erscheint vollständig klar unb durchsichtig. Unendlich weit finb wir in bem Nachweis geringer Substanzmengen gelangt, aber einen Beweis für bie Exi- sten3 von Molekülen haben wir nicht gefunben. Nichts beutet auf bas Vorhandensein kleiner, für sic beftehenber Weile. Das Slu- orefjeinmolekül selbst 3. B. haben wir nicht sehen können. Nun — 57 — könnte jemand den Dorschlag machen, die Dergrözerung des Mikro- skops einfad) so lange zu erhöhen, bis derartig kleine Teilchen sicht- bar werden, — wenn sie wirblig vorhanden sein sollten. Als ob das so ohne weiteres ginge! Ellles hat feine natürlichen Grenzen. Sür meine Augen ist das Blatt Papier eine einheitliche glatte Fläche, unter dem Mikroskop wirb es zu einem Silz von feinen Säserchen aufgelöst. Ein aus einem Wassergra- ben entnommener Was- fertropfen erscheint un- ferem Auge klar und rein; unter dem Mikro- - skop aber enthüllt sic in ihm eine ungeahnte Kleinwelt von Lebewe- fen. Die untere Grenze für das Aluflösungsver- mögen unseres Auges gegenüber punktförmig kleinen Gebilden ist durch, feinen anatomi- schen Bau bedingt. Zwei Punkte, bereu Abbilber auf ber sinteren Augen- wanb zu nahe aneinan- berfallen, werben nur noc als eine Er- scheinung wahrgenom- Abb. 25 zeigt das Bild eines Lichtstrahls, der durch 3wei enge Spalte auf eine Wand geworfen wird. men. Das Mikroskop rückt biefe Punkte für unser Auge weiter auseinanber. Aber auc bas Mikroskop hat eine Grenze feiner Leistungsfähigkeit. Sie kennen zu lernen, ist für uns natürlich auszerordentlic wichtig, ba wir vor ber Frage stehen, ob man nicht durc geeignete Derbesserung bes Apparats doc noc wirkliche Moleküle sichtbar machen könnte, um unsere Entdeckungsfahrt zum glücklichen Abschluß zu bringen. Dazu müssen wir einige orientierende Versuche machen, denn in her Natur- 58 — wissenschaft muß alle Erkenntnis durc praktische Arbeit erkauft werden. Wir lassen in einen dunklen Dersuchsraum durc einen schmalen Spalt von etwa 1 mm Breite einen Lichtstreifen hineinfallen. Mit ihm beleuchten wir einen gleichgerichteten zweiten Spalt, dessen Breite verstellbar ist, so daß auf einem Schirm hinter ihm ein helles, scharfes Abbild non ihm entsteht (f. Abb. 25). Jetzt machen wir ihn enger und enger. Da treten allmählich merkwürdige Deränderun- gen in dem Bild auf. Zuerst wird es von dunklen Linien durch- zogen; dann, — wir nerengern den beleuchteten Spalt immer mehr, — werden die Ränder des Abbilds undeutlich; dafür taufen auf beiden Seiten desselben neue helle, aber farbige Streifen auf (sie werben Beugungsbilber bes Spaltes, auc Jnterferenzstreifen ge- nannt); biefe rücken immer weiter nac auszen unb verschwinden schlieszlic ganz, während bas ursprüngliche Abbild immer breiter unb verschwommener geworben ist, unb schlieszlic nur ein unbe- ftimmter Lichtschein übrig bleibt. Der Spalt selbst ist also nicht mehr zu sehen, fonbern nur ein biffufer Lichtschein. Der Spalt ist jetzt nur noc wenige taufenbftel Millimeter breit. Wollten wir ihn im Mi- kroskop beobachten, so würbe auc biefes nur ben undeutlichen Licht- schein fassen, aber kein Bilb bes Spaltes mehr geben können. Unb wenn wir zwei ober Diele berartige Spalte so nebeneinanberlegen würben, ba^ ihre Albstände nicht breiter finb wie bie Spalte selbst, so würben sic bie Lichterscheinungen überdecken. Es würben weber Spalten noc Trennungsstriche zu sehen fein, es würbe nur eine all- gemeine Helligkeit herrschen, als ob bem Lichtstrahl nichts im Wege ftänbe. Das Mikroskop ist hier ohnmächtig; wir stehen Dor ber Grenze feiner Leistungsfähigkeit. Sie liegt begrünbet in ber Natur bes Lichtes, bas bei ganz engen Zwischenräumen, wie sie bei ben Molekülen auc Dorliegen müssen, nicht mehr gerabeaus geht, son- bern um bie Ecke, so baß ein deutliches Licht- ober Schattenbild eines berartig kleinen Gegenstandes eben nicht mehr zu fassen ist, da es nicht vorhanden ist. Wessen wir bie Breite bes schmalen Spaltes, ber gerabe noc ein einigermaßen deutliches Abbild liefert, so finben wir, baß er ungefähr 1/4000 mm (0,00025 mm) breit ist. nun wissen wir aber anbererfeits, baß bas Licht sic so verhält, als ob senkrecht zum Gang bes Lichtstrahls eine wellenartige Bewegung stattfände; wir mach- — 59 — ten diese Annahme schon für das polarisierte Licht. Plan denke, um sic ein grobes Bild des Vorganges zu machen, an die Wellen, die ein ins Wasser geworfener Stein erregt. Während die Wellenbewegung fortschreitet, steigt und fällt senkrecht zu ihr das Wasser regelmäßig. Die Sänge der Lichtwellen kann man leicht messen; sie ist außer» ordentlich klein und für die verschiedenen Farben verschieden; die kleinsten Wellen hat das violette Licht, sie sind 0,0003 mm, die des roten dagegen bis 0,0008 mm lang. Ein Dergleic der Lichtwellen- länge mit Öen Zahlen für die unterste abbildbare Spaltbreite ent- hüllt uns auf einmal das ganze Rätsel: öie Lichtwellenlänge selbst ist es, öie uns ein Eindringen in öie Welt öer Moleküle versperrt. Per Abstand zweier Striche öarf nicht kleiner als eine halbe Wellen» länge des Lichtes fein, sonst sind sie nicht mehr wahrzunehmen. Würden wir Licht von noc kleinerer Wellenlänge haben, so würöen wir auc noc klei» nere Gegenstände auseinander» halten können. Pas geht tat» sächlich. Hinter den Wellen des violetten Lichtes kommen noc Lichtwellen, die zwar unsere Rügen nicht mehr wahrneh- men, die wir aber durc die photographische Platte nachwei- fen können. Man hat darauf» hin besondere Apparate ge= baut, mit deren Hilfe man mit unsichtbaren Strahlen Don 0,000275 mm Wellenlänge noc Körpereßen photographieren und durc Vergrößerung sicht- bar machen kann, die einen Abb. 26. Richard Zsigmondy. Durchmesser Don nur 0,00012 mm haben. Mit diesem hilfs- mittel hat man sogar noch organisierte Körperchen photogra- phieren können, Sporen, die für das gewöhnliche Mikroskop nicht mehr sichtbar find. Und nun bedenke man, daß eine solche Spore doch eine sehr komplizierte Organisation besitzt, da sic aus ihr wieder — 60 — ein neues Lebewesen entwickeln kann! Also die Welt der Moleküle liegt weit, schier unerreichbar weit darunter. Aber man soll sic hüten, bei solchen Gelegenheiten von letzten Grenzen der Erkenntnis zu sprechen. Erreicht die hauptstraßze ein Ende, so findet sic vielleicht dicht dabei ein Sußzpfad, der noc weiter führt. Aluc in diesem Salle wurde ein solcher Pfad gefunden; der ihn entdeckt hat, heiszt Zsigmondy, dessen Bild Abb.26 zeigt. Es ist wie mit dem Ei des Kolumbus: nachher sieht die Lösung der Aufgabe sehr einfach aus; das Schwierige ist nur, daß sie überhaupt gefunden wirb, baß jemand auf den glücklichen Einfall kommt. Um diesen Einfall richtig begreifen zu können, brauchen wir wieder eine kleine Vorgeschichte. Wir können den Weg eines Lichtstrahls, der durch ganz reine, von Stäubchen freie Luft, oder durc eine ganz reine, klare Flüssigkeit, 3. B. durch destilliertes Wasser, geht, nicht erkennen. Sowie aber kleine Partikelchen, Staub- körnchen, Aebeltröpfchen in der Luft oder feine Trübungen in dem Wasser schweben, leuchten sie in dem Strahl hell auf und verraten ihn auch einem seitlich stehenden Beobachter. Klan braucht nur an den Lichtkegel zu denken, der von einem Kinematographen ausgeht (heutzutage sicher der volkstümlichste Dergleich), oder an die Licht- bündel, die sic des Nachts von den Straßenlaternen in dichten Uebel hinein verlieren! Will man Flüssigkeiten daraufhin unter- suchen, ob sie vollkommen klar und frei von feinen, schwebenden Kör- perchen find, so schickt man einen möglichst starken Lichtstrahl hin- durc und sieht zu, ob er von ber Seite zu erkennen ist; bas ist eine wissenschaftlich viel gebrauchte Prüfungsmethobe. An diesem, von kleinen Stäubchen abgebeugten, zerstreuten Licht, hat man noch eine interessante Beobachtung gemacht: es ist polarisiert, b. h. es wirb von einem Curmalinplättchen bei einer bestimmten Stellung nicht hindurchgelassen (f. S. 47/48). Diese Polarisation bes seitlich zer- streuten Lichtes können wir wiederum da, wo auf anberem Wege keine Teilchen nachzuweisen sind, als Beweis dafür ansehen, daß es non kleinen Teilchen abgebeugt worben ist. Zsigmondy arbeitete mit ganz feinem, in Wasser schweben- bem Golostaub, ber oft so sein war, baß man schon von einer Gold- löfung sprechen konnte. Diese feine Derteilung kann auf folgende Weife erreicht werden. Wenn man eine stark verdünnte, wäßrige Lösung Don Goldchlorid (das Wasser muß für diese Zwecke ganz be- — 61— sonders gereinigt werden), mit Formaldehyd oder noc besser mit einer ätherischen Lösung von Phosphor versetzt, so tritt ein chemischer Vorgang ein, Öen man Reduktion nennt, und bei öem sic metalli- sches Gold bilbet. Dies macht sic oft dadurch bemerkbar, besonders bei grösseren Konzentrationen oder unreinem Wasser, daßz die Slüs- sigkeit sic unter starker (Trübung mit violettroten bis blauvioletten Goldteilchen füllt, bie sic langsam zu Boden setzen. Bei reinstem Wasser, grosser Verdünnung und vorsichtigem Arbeiten entsteht eine Abb. 27. Die Arbeit am Ultramikrofkop. (Hac einer Originalzeichnung von C. Schmauc.) rote, ganz klare Flüssigkeit. Zsigmondy konnte sie bis zu einem Goldgehalt non 0,12% anreichern, ohne daßz eine Veränderung ein- trat. Jn was für einem Zustand befand sic das in Wasser doc sonst ganz unlösliche Sold in dieser klaren Flüssigkeit ? Daß es sic um metallisches Gold sandelte, ernannte man, wenn man zur Lösung nur etwas Kochsalz gab. Sofort schlug die Sarbe nac Blau um, es bildeten sic Flocken, die sic zusammenballten und absetzten. (Eine Untersuchung erwies, daßz der liederschlag reines (Bold war. Ließ Zsigmondy durch die klarsten Lösungen, die er erhielt, einen pellen Lichtstrahl hindurchgehen, so machte sic kaum eine Zer- streuung des Lichtes bemerkbar. — Jetzt kommt die Schürzung des Knotens! — Manchmal aber entstanden bei gleichen Arbeitsbedin- gungen auc mehr ober minder stark getrübte rote Flüssigkeiten, — 62 — in denen ein hindurchgehender Lichtstrahl vorzüglich zu sehen war,, während das abgebeugte Licht sic zugleic als polarisiert erwies,, so daß kein Zweifel über die feine, stäubchenartige Verteilung des: Goldes vorhanden fein konnte. Diese Flüssigkeit konnte Zsigmondy, bis auf das Tausendfache verdünnen, ohne daßz die Sichtbarkeit des: Lichtstrahls merklic abnahm. Befand sic das Gold in der ganz klaren Lösung in einem an-: Abb. 28. h. Siedentopf. deren Zustand als in der trü-i ben, war es wirblig gelöst, und rührte die schwac sicht- bare Abbeugung nur von we- nigen Einzelteilchen her ? Das war eine schwierige und für das ganze Atomproblem sehr interessante Frage. Denn in demselben Zustand wie bie klare Goldlösung muszte sic auc eine Zucker- oder Ei- weiszlösung befinden, die sic genau ebenso verhalten. 3fig= mondn neigte zu der oben an- gebeuteten Ansicht, daß bie schwache Abbeugung des Lich- tes Don wenigen Einzelteil- chen herrührte und das üb- rige Sold tatsächlich gelöst war; er entschloß sic aber doc zu einer Prüfung. Er sagte sich: Wenn man durc eine starb verdünnte, trübe, rote Goldlösung einen hellen Lichtstrahl schickt, und die in ihm sichtbare Trübung unter dem Mikroskop senkrecht zu feinem Verlauf beobachtet, so müssen sic bie einzelnen größeren Teilchen als leuchtende Stäubchen vom dunklen hintergrunde abheben, wenn sie nur weit genug voneinander entfernt sind. Jhre Gestalt braucht ja nicht erbennbar zu fein, wenn man nur ben Kreis bes zerstreuten Lichtes sieht. Er machte ben Versuch, beffen erste, einfache Anordnung Abb. 27 ohne weitere Erklärung genügenb erläutert. Was er fanb, hat er selbst folgendermaßen erzählt: „Tatsächlich konnte ic in zwei stark ge- — 63 — trübten Flüssigkeiten bei Sonnenlicht unter Anwendung einer etwa hundertfachen Dergrözerung die Anwesenheit von Tausenden glän- zender Goldteilchen nachweisen, deren Gröze, wie eine Überschlags- rechnung aus Öen Ceilchenabständen und ber vorhandenen Gold- menge ergab, kleiner als bie Wellenlänge bes Lichtes fein mußzte. Bei gewöhnlicher Beleuchtung waren sie selbst mit ben besten Objektiven nicht wahrnehmbar!" Triumph! (Eine bisher verschlossene Pforte zu einer für unsere Sinne bisher unzugänglichen Welt war geöffnet! Man sollte noch mancherlei 3ntereffantes zu sehen bekommen; es kam nur darauf an, öie Apparatur für diese Beobachtungen möglichst vollkommen aus- zubilden. Hierzu verband sic Zsigmondy mit Siedentopf (siehe Abb. 28), der nun das „Ultramikroskop", so wurde das den neuen Zwecken angepaßzte Mikroskop getauft, zu höchster technischer Doll- kommenheit entwickelte. Es ist sicher von Interesse, ganz kurz einige wichtige Gesichts- punkte darzulegen, die dabei berücksichtigt werden mußten. (Einmal kam es darauf an, direktes Licht, in dem die leuchtenden Pünktchen natürlich untergehen würden, vom Auge des Beobachters fernzu- halten. Das konnte auf mancherlei Weife geschehen; entweder durch seitliche Beleuchtung, senkrecht zur Beobachtungsrichtung wie in Ab- bildung 27, oder, bei Beleuchtung in ber Beobachtungsrichtung, durc Abblendung schädlicher Strahlen. Diese Auslese bewirkt eine ge- — 64 — eignete, unter dem Präparat angebrachte Vorrichtung. Die Albb. 29 und 30 zeigen zwei gebräuchliche Ausführungen, Öen Paraboloid- unö öen Kardioidkondensator von Zeisz. Die unten in öer Mitte ge- zeichnete Blende hält alle unbrauchbaren Strahlen zurück. Den (Bang öer zur Beleuchtung brauchbaren Randstrahlen zeigen öie Pfeile. Sie öeuten an, öa^ öie beleuchtenden Strahlen am Deckgläschen vollstän- Öig zurückgeworfen werden. So erhält man einen dunklen hinter- grunö, unö in öas Mikroskop unö öas Auge gelangt nur öas von öen Teilchen abgebeugte Licht, öas in öen Abbildungen durc punktierte Pfeile angedeutet ist. Der Kardioidkondensator ist besonders lichtstark unö daher in allen Fällen von grossem Dorteil, in öenen befonöers kleine Teilchen sichtbar gemalt werden sollen; öenn öie Helligkeit öer Teilchen sinkt unvergleichlich Diel rascher als ihr Durchmesser, so dasz auf diese Weise balö wieder eine untere Grenze für öie Sicht- barmachung erreicht ist. Diese Sichtbarmachung hängt nur von öer Intensität öer Lichtquelle ab. Bei öer stärksten Beleuchtung, ö. i. mit grellstem Sonnenlicht, konnte Zsigmondy noc Goldteilchen wahr- nehmen, öie einen Durchmesser von 0,000 0005 cm hatten; sie stellen wohl öie unterste Grenze öer im Ultramikroskop erkennbaren Kör- perlen öar. Wie man öen Durchmesser unö wohl auc öas Gewicht so kleiner Körperchen feststellen kann ? Einfac unö leicht ist öas nicht. Wenn man in einer bestimmten Menge Lösungsmittel eine bestimmte Menge Goldchlorid löst unö reduziert (siehe S.61), so kennt man zunächst öie in öer Lösung enthaltene Gewichtsmenge Gold unö kann auc öen Raum ausrechnen, öen es als kompakte Masse einnehmen würde. Run zählt man unter öem Ultramikroskop öie Anzahl öer Teilchen in einem ganz kleinen Raumteil aus unö berechnet öaraus öie An- zahl öer Teilchen in öer ganzen Lösung. Sehr genau ist öiefe Me- thode zwar nicht, aber öas Mittel aus sehr Dielen Beobachtungen gestattet doch, ungefähr zu wissen, auf wieviel Teilchen sic öie ganze Goldmenge verteilt hat. Daraus lassen sic öann Gewicht unö Durch- meffer öes einzelnen Teilchens berechnen. Das Gewicht öes kleinsten sichtbaren Teilchens Öürfte ungefähr 2,5 . 10°1 g betragen. Die folgenöe Tabelle fa^t öie bisher angeführten Zahlen für öie nach verschiedenen Methoden beobachtete feinste Derteilung öes Stof- fes zusammen: Chemischer Nachweis des Mag- ............................ 0,000 000 02 Mikrowage................... 0,000 000 004 Ätznatron durch Lackmusseide . 0,000 000 000 3 Natrium d. Slammenfärbung . 0,000 000 000 7 Sauerstoff durc Bakterien * 0,000 000 000 01 Merkaptan durc ©eruc . . 0,000 000 000 002 2 Dicke der ausgehämmerten Goldhaut................... 0,00001 Gewicht eines entsprechenden Goldwürfels .... 0,000 000 000 000 02 Goldteilchenim Ultramikroskop g =2:10 g g=4-10-9 g g = 3 • 10"" g g = 7 • 10-10 g g = 1 • 10"" g g = 2,2 • 10° g cm = 1 • 10° cm g = 2.10"1 g sichtbar............... Gewicht desselben .... Fluoreszein in Lösung . . . Dicke einer Wasserhaut. * . Gewicht eines entsprechenden Würfels................ Ölhaut auf Wasser, Dicke . . 0,000 000 5 0,000 000 000 000 000 002 5 0,000 000 000 000 000 001 0,000 000 6 cm = 5.10" cm g = 2,5.10-18 g g=1 10" g cm = 6 • 10° cm 0,000 000 000 000 000 000 216 g=2,16-10" g 0,000 000 2 cm = 2.107 cm Gewicht eines entsprechenden Würfels...................... 0,000 000 000 000 000 000 008 g = 8.10 g Doc wir haben ganz das Problem aus den Augen verloren, bei dessen Verfolgung Zsigmondy das Reic der ultramikroskopisc kleinen Teilchen erschloßz. 3n welchem Zustand befindet sic nun das Gold in den ganz klaren roten Lösungen? Unter dem Ultramikroskop ist kaum die Andeutung des quer hindurchgehen- öen Lichtstrahls zu sehen. Gibt man ein Salz, 3. B. Salpeter, zu öer Lösung hinzu, so beobachtet man, wenn öie Erscheinungen nicht zu rasc verlaufen, im Ultramikroskop zunächst öas Huftreten eines deutlichen Lichtkegels. Es erscheinen öann wogende, gelbe Nebel- ballen, in öenen auf einmal helle Einzelteilchen aufleuchten, sic rasc vermehren, vergröszern unö sic zu ganz groszen zusammen- lagern. Der ganze Vorgang ist ein Zeichen öafür, daß in öen klarsten Lösungen öas Gold besonders fein verteilt ist. Ein an- öerer Beweis ist auc öer: Versetzt man eine Goldchloridlösung, öie sonst zu öer ganz klaren, roten ffiolölöfung führen würöe, mit einigen Tropfen einer solchen vorher bereiteten, unö reduziert öann, so erhält man sofort eine schwac trübe Lösung. Benutzt man öiefe wieöer zum „Impfen" eines neuen Dersuchs, so erhält man Zart, Bausteine des Weltalls. 5 — 66 — schon eine Lösung, deren Teilchen im Ultramikroskop zu sehen sind. (Es haben also in dieser Dersuchsfolge die unsichtbaren Teilchen immer als Keime zu größeren gedient. Diese Versuche zeigen, daß eine scharfe Grenze zwischen wirk- lichen Lösungen, 3. B. der des Goldchlorids, und der staubförmigen Verteilung im Ultramikroskop sichtbarer Teilchen, — man nennt sie Suspension, — nicht zu ziehen ist. Beide unterscheiden sic nur in der Gröze ihrer Teilchen. Lösungen, die infolge der Grösze ihrer Teilchen einen Übergang zu den groben Suspensionen bilden, nennt man kolloidale Söfungen. Sie find nicht nur von Gold, sondern auc von vielen anderen Metallen und Stoffen hergestellt worden und in der Natur weit verbreitet. Wesentliche Unterschiede gegenüber ben Lösungen von Salzen und anderen Stoffen haben sic auc bei genauerem Studium ihrer sonstigen Eigenschaften nicht ergeben. DamitstehenwirvordemlangeerstrebtenZiel, wir werden zu dem Sc luffe geswungen, daß tatsächlich alle Stoffe aus getrennten Teilchen, aus Molekülen und Atomen bestehen. Als gewichtigen Seugen können wir selbst unser blaues him- melslicht heranziehen. Das mag auf ben ersten Blieb verwunderlich erscheinen, ist aber wirklich so. Abgebeugtes Licht wirb ja mit ber abnehmenden Größze ber Kleinsten Teilchen sehr rasc so schwach, daß man auc feine Polarisation nicht gut mehr beobachten bann. Elusgleichend bann hier nur eine genügenb dicke Schicht ber — Moleküle wirben, wie sie 3. B. in unserer Atmosphäre vorhanden ist. Run ist unser blaues himmelslicht weiter nichts wie 3erftreutes, abgebeugtes Sonnenlicht, bas wir gegen ben absolut bunblen Welten- raum beobachten. Untersuchen wir es in senkrechter Richtung 3U ben Sonnenstrahlen, so erweist es sich tatsächlich als polarisiert, unb hieran bönnen nur bie Luftmoleküle schuld fein, beren Vorhanden- fein wir also annehmen müssen. Erklärung zu Abbildung 31. Abbildung 31 gibt in 10 000 facher linearer Vergrößerung einen anschaulichen Dergleic der Größenverhältnisse verschiedener mikroskopischer und ultramikroskopischer Teilchen. (Nac Zsig- mondn, 3ur Erkenntnis der Kolloide.) A Blutkörperchen im Blute des Menschen (Durchmesser 0,000 75 cm). B Bruchstücke von Reis- tärkekörnern (Durchmesser 0,0003—0,000 8 cm). C Teilchen einer sehr feinen Conaufschlemmung in Wasser. E Milchbrandbazillen (Breite 0,0001 cm). F Kugelbakterien (Durchmesser 0,0001 bis 0,00005 cm), f, g, h int Ultramikroskop sichtbare Teilchen einer kolloidalen Goldlösung (Durchmesser 0,000 000 6 cm bis 0,000 001 5 cm). i, k, 1 größere Goldteilchen, die sic abseten (Durchmesser 0,000 0075 cm bis 0,000 02 cm). — 67 — Abb. 31. — 68 — (Eine Beobachtung an ultramikroskopisc kleinen Teilchen ist bisher nicht erwähnt worden, die jeden Beobachter aufs äußerste fesselt, das ist eine lebhafte Bewegung der Teilchen. Sie ist in geringem Grade schon unter dem gewöhnlichen Mikroskop an kleinen Partikeln zu sehen und zum erstenmal wohl von dem Engländer Brown im Jahre 1827 beobachtet und beschrieben worden, dem zu Ehren sie jetzt allgemein Brownsche Bewegung genannt wird. Sie ist bei verhältnismäßig großen Körperchen träge unb langsam. Je kleiner aber die Teilchen werben, um so beweglicher sind sie. Das geht schließlich so weit, baß sie nur noch in ben Umkehrpunkten zu Abb. 32. Kinematographische Aufnahme der Brownschen Bewegung. (Mac Perrin, Aufnahme Pathe frdres.) sehen finb. „Wer einen Schwarm tanzender Mücken sieht im Son- nenschein, ber bann sic eine Vorstellung machen von ben Bewegun- gen ber Goldteilchen im Hydrosol bes Goldes! Das ist ein Hüpfen, Canzen, Springen, ein usammenprallen unb Doneinanderfliehen, baß man Mühe hat, sic in bem Gewirre zurechtzufinden", so be= schreibt Zsigmondy feinen ersten Eindruck. Aluc an feinem, in ber Luft schwebendem Staub, 3. B. an Zigarrenrauch, kann man biefe Erscheinung ftubieren. Man kann bie Brownsche Bewegung selbst kinematographisc aufnehmen. Abb. 32 zeigt vier aufeinanderfol- genbe Momentbilder solch einer Aufnahme. Die Teilchen, bie sic während unb zwischen ber Seit ber Aufnahmen auf ben Beobachter zu ober non ihm fort bewegen, werben ihre Sage auf ben einzel- nen Ceilbildern beibehalten, während bie anberen sic wirr durch- einanber mischen. Was ist ber (Brunb dieser Bewegung? Man hat sehr genaue Versuche angestellt, ob etwa bas Licht, ob einseitige (Erwärmung, Er- — 69 — schütterungen ober andere äußere Ursachen verantwortlic zu machen sind. Das ist nicht der Fall. Die Teilchen behalten ihre heftige Bewegung Stunden, Cage, Jahre hindurch unverändert bei, wohl bis in alle Ewigkeit, — wenn die Temperatur dieselbe bleibt. Erst in letzter Seit ist man auf die richtige Deutung verfallen. Was ist natürlicher als die Annahme, daßz die Bewegung, die wir sehen. von den Stößen her unsichtbaren Moleküle herrührt, uns also eine vergröberte Molekularbe- wegung sichtbar vor Au- gen führt; haben wir doc schon lange die Wärme als die Bewegung der Atome unb Moleküle gebeutet! Es bereitet wirklich Ge- nugtuung zu erleben, wie die Menschheit allmählich bie Mittel in bie hand be= kommt, um ihre kühnen Hypothesen, ihre Annah- men über bie Existenz einer von uns nie gesehe- neu, unseren Sinnen voll- ständig entrückten Welt unb bereu Gesetzmäßzigkeiten an so sinn- fälligen Vorgängen gleichsam direkt auf ihre Richtigkeit nachzu- prüfen. Weshalb aber zeigen grössere Partikel diese Brownsche Bewe- gung nicht ? Sie hört bei einem Durchmesser von ungefähr 0,0004 cm auf. Das wirb erklärlich, wenn man baran denkt, daßz das schon riesengroße Körper gegenüber Öen Molekülen sind, viele, viele Billionen mal so groß; sie verhalten sic also zu den Molekülen wie etwa ein großer See zu einem Wassertropfen. Wenn bie Mole- küle alle in berfelben Richtung stoßen würben, so würbe bas nichts ausma^en, benn schlieszlic beruht bie Macht bes Winbes, ber große Schiffe über ben Ozean treibt, unter bessern plötzlichen Stoß dicke Baume wie Streichhölzer splittern, auc auf ber gleichsinnigen Be- wegung vieler moleküle. Was uns aber bie Brownsche Bewegung — 70 — enthüllt, ist die Bestätigung der gänzlic ungeordneten Wärmebewe- gung der Moleküle, ist absolute Regellosigkeit. Perrin hat den Weg kleiner ultramikroskopischer Teilchen aufzuzeichnen versucht; nicht die vom Auge faßbaren Zickzacklinien der Slimmerbewegung, die sic bei den kleinsten ber Beobachtung ganz entzieht; er hat sic ein einzelnes Teilchen vorgenommen und hat nac Ablauf regelmäßiger Zeitabschnitte, 3. B. immer nac Ablauf von 30 Sek., den ©rt auf- gezeichnet, den es gerade einnahm. Die Verbindungslinie solc einer Abb. 34. Brownsche Molekularbewegungen nac Siedentopf. Punktreihe gibt Abb. 33 wieder. In ihr besteht jebe gerade Linie in Wirklich- keit wieder aus einem un- endlichen Wirrwarr von Einzelbewegungen. Ange- sichts dieser Regellosigkeit müssen wir annehmen, daß die großen Teilchen fort- während und von allen Seiten von so unzähligen Stößen getroffen werben, daß keine Richtung über- wiegt und alle sic gegen- feitig in der Wirkung auf- heben. Don einer gewissen Grösze abwärts passiert es immer häufiger, daß die Stöße bald von der einen, bald von der anderen Seite derart über- wiegen, daß eine kleine Pendelbewegung eintritt; sie geht mit zu- nehmender Kleinheit der Teilchen dann in eine lebhafte Flimmer- bewegung über, die außerdem um so heftiger wirb, je mehr bas Gewicht der Teilchen sic dem ber Moleküle nähert. Abb. 34 zeigt eine Momentaufnahme ultramikroskopisc kleiner Teilchen einer kol- loidalen Silberlöfung, deren mittlerer Durchmesser ungefähr 0,000 002 cm betrug. Die Aufnahme würbe auf einer sic langsam von oben nac unten bewegenben photographischen platte gemacht. Die Teilchen beschreiben beshalb von oben nac unten gerichtete Kur- nen, bie in ben Augenblicken über- b3w. unterbelichtet find, in denen die Bewegungsrid)tungen in ber Fallrichtung liegen, bzw. ihr ent- gegengesetzt finb. Die Leiter links ist eine Zeitmarke, bie Sprossen- — 71 — distanz entspricht 1/50 Sekunde. Der schwarze Strid) entspricht einem grögeren am Deckglase fest anhaftenden Teilchen. Was geschieht nun, wenn wir eine kolloidale Lösung langsam er- wärmen? Wir mügten nac unserer Theorie eine Beschleunigung der Bewegungen beobachten. Svedberg (j.Abb.35) hat zur genauen Be- antwortung dieser Frage genaue Versuche mit kolloidalen Golblösun- gen gemacht. Er hat nicht die Geschwindigkeiten direkt gemessen, dazu waren sie zu schwer sagbar. Er stellte zunächst folgende Überlegung an: Wenn man die kolloidale Lösung durc das Ultramikrojkop beob= achtet und die Beobachtungszeit durc einen regelbaren, megbaren Momentverschlußz allmählich kürzer gestaltet, so wird ein Augenblick kommen, in dem die Slimmerbewegung gerade noc als solche zu erkennen ist. *) Auf die Dauer dieser kurzen Beobachtungszeit kommt es an. Sie wurde, als Svedberg die kolloidale Goldlösung erwärmte, immer kürzer, d. h. die Bewegung der Teilchen wurde immer rascher; dies geschah in einem Maze, das vollständig den theoretischen Erwar- tungen über die Beschleunigung der Molekülgeschwindigkeiten mit der Temperaturerhöhung entsprach. Man kann noc an viele andere Prüfungen unserer Molekular- theorie denken. Der osmotische Druck war 3. B. von der molekularen Konzentration der Lösung abhängig, d. h. von der Anzahl, nicht aber von der Gröge der Moleküle. Aluc die kolloidalen Lösungen zeigen den osmotischen Druck; hier können wir die Abhängigkeit direkt sehen, denn wir können die Teilchen zählen; und da zeigt sic wirk- lic, dag der osmotische Druck mit der Abnahme der Teilchen- zahl sinkt. Es würde uns zu lange aufhalten, wollten wir uns noc weiter in der Genugtuung sonnen, die alle diese sinnfälligen Bestätigungen unserer Theorie gewähren. Aur an eine Stelle aus Sukreg fei in all dem Triumph still erinnert: „So ist unter des Urstoffs Körpern nirgend die Ruhe im unermezlichen Weltraum, sondern sie jagt ein beständiger Trieb nac mancherlei Richtung, sprengt die einen zurück, wenn zusammen sie treffen und verbindet im engeren Raum die andern durc Anftog." *) Bei einer weiteren Verkürzung würden die Teilchen stillzustehen scheinen, etwa wie der fliegende Dogel auf einer photographischen Moment- aufnahme. — 72 — Die uralte Stage nac dem Bau der Materie scheint nun tat- sächlic dahin entschieden, daß alle Körper, auc wenn sie noc so klar und glatt aussehen, aus kleinsten, für sic bestehenden Teilchen, den Molekülen und Atomen aufgebaut sind. Wan kann auszerordentlic kleine Körperchen sichtbar machen. Andererseits gibt es sehr große Moleküle. Wir können künstlich solche zusammensetzen, die über tausendmal so schwer sind wie ein Wasserstoffmolekül. Noch viel größere liefert die Natur 3. B. unter den Eiweißzstoffen. Da erscheint es doc immerhin möglich, daßz die grössten unter ihnen noc im Ultramikroskop sichtbar zu machen fein müszten. Wie groß und wie schwer sind denn über- haupt diese wirklichen Mole- küle ? Kann man das nicht auc herausbekommen ? Nichts leichter als das! — können wir heute beinahe sagen. Aber bas geht einem immer so: so lange man im Dunkeln tappen muß, um sic zurechtzufinden, macht man die überflüssigsten Anstrengun- gen und Umwege; sobald aber Abb. 35. Cheobor Svedberg. ein Lichtschein den Schauplatz erhellt, sieht man tausend We= ge, die von allen Seiten zum Ziele führen. So auc hier. Lange Seit ist man mit auszerordentlic komplizierten Gedankengängen dem Problem auf den Leib gerückt und wuszte doc nicht recht, ob man es auc wirklic richtig gepackt hatte. Zuletzt sind auf einmal zahl- reiche Methoden bekannt geworden, die eine verhältnismäßig leichte Lösung ber Hufgabe gestatten. Eine in ihrer verblüffenden Ein- fachheit ganz geniale Methode hat Perrin (s. Abb.44) ersonnen, um bas absolute Gewicht ber einzelnen Moleküle unb Atome zu be- stimmen. Sum Verständnis brauchen wir wieber eine kleine Vorgeschichte. Wir wissen, daßz unsere Atmosphäre mit wachsender Entfernung vom — 73 — Eroboden immer dünner wird. Das erfährt jeder Alpentourist, jeder Ballonfahrer am eigenen Leib. Die dünnere Luft übt natürlic einen geringeren Druck aus, und diese Druckabnahme erfolgt mit zuneh- mender Höhe so gesetzmäszig, daß man mit öem Barometer allein und ohne andere Apparate die Erhebung über öem Meeresspiegel be- stimmen kann. In 40 km Höhe würde öer Druck nur noc 1,2, in 100 km Höhe 0,0012 mm Quecksilber betragen. Mit öer Druckab- nahme sollte aber eigentlich noc eine anöere Deränöerung unserer Atmosphäre erfolgen, nämlic in ihrer Zusammensetzung. Wir wissen, daßz öie Kohlensäure mit ihren schweren Molekülen an Orten, an öenen sie sic in grösseren Mengen entwickelt unö nicht durc Winde fortgeführt wirö, wie in öer Ijunösgrotte bei Neapel, sic unten am Boöen lagert, so daßz ein Hund unter Umständen rasc in ihr er- stickt, während öer größere Mensc über ihre Schicht hinausragt unö nur noc einen weniger schädlichen Anteil einatmet. Je leichter aber ein Gas ist, um so langsamer nimmt fein Druck mit öer Höhe ab. Des- halb müßten sic auc öie übrigen Anteile öer Luft, Argon, Sauer- stoss, Stickstoff, Helium, Wasserstoff, in öer angeführten Reihenfolge, entsprechend öer verschiedenen Schwere ihrer Moleküle, abstufen; öie schwereren Gase müßten mit zunehmender Höhe zurücktreten unö mehr unö mehr Öen leibten Gasen Öas Feld räumen. Das würöe auc sicher öer Fall fein, wenn keine Winöe unö Luftströmungen vor- hanöen wären. Diese sorgen aber für eine so gute Durchmischung, daß öie Zusammensetzung öer Luft bis zu ungefähr 11 km hinauf nahezu gleichmäßig ist. Sie besteht hier aus 780,3 Raumteilen Stick- stoss, 209,9 Heilen Sauerstoff, 9,4 Heilen Edelgasen (Argon, Helium usw.), 0,3 Heilen Kohlensäure unö 0,1 Heil Wasserstoff. Oberhalb öer 11 km hört öiefe Durchmischung aber balö auf, unö nun macht sic auch öie Schichtenbildung bemerkbar, wie spektroskopische Be- obachtungen an Lichterscheinungen in großen Höhen gezeigt haben. Die schwere Kohlensäure, öie ja von Anfang an nur einen geringen Prozentsatz öer Atmosphäre betrug, unö öas schwere Argon kommen hier nicht mehr in Betracht. Der Sauerstoff ist in 40 km Höhe auf ungefähr 10% gesunken unö in 100 km Höhe verschwunden. Der Stickstoff nimmt ebenfalls rasc ab, so öaß er bei 100 km höhe vielleicht noch 1 % beträgt. Die mit öer höhe sinkende Temperatur hat auf öiefe Druckabnahme auch einen Hinfluß. Unter ihrer Be- — 74 — rücksichtigung berechnet sic die räumliche Zusammensetzung der Luft in folgender Weise: Stickstoff Sauerstoff Argon Wasserstoff Helium 50 km Höhe: 100 km höhe: 79,7 0/0 7,03 »/o 0,10 0/ 0,00 0/o 0,03 °/o 0,00 0/ 13,64 ®/o 0,13 °/o 99,45 %/ 0,45 0/0 Das Feld beherrschen also allmählich Helium und Wasserstoff, von denen auc das erstere noc höher hinauf zurücktritt, so daß schließ- lic nur noc der Wasserstoff übrig bleibt, dessen Höhengrenze man auf ungefähr 220 km schätzt; sie kann auc noc weiter draußen liegen. Ob dann noc ein leichteres Gas kommt, das wir noc nicht kennen, ist eine interessante Frage, die zwar besprochen, aber nicht entschieden ist. Wenn die Dichteabnahme der einzelnen Gase der Atmosphäre mit der Höhe auc eine sehr verschiedene ist, so erfolgt sie für jedes einzelne Gas doc vollständig gleichmäßig und ist, besonders wenn wir diese Abnahme auf eine gleichbleibende Temperatur umrechnen, in gleichen Albständen immer dieselbe. P er rin hat sic ausgerechnet, in welchen Albständen die Dichte bei jedem Gas auf die Hälfte finken würde. Darnac würde sic der Sauerstoff in Abständen von je 5, das Helium von je 40, der Wasserstoff von je 80 km auf die hälfte verdünnen, d. h., in diesen Abständen würde, gang gleic Don wo ab man sie rechnet, die obere Schicht immer halb so dünn fein, halb so Diel Moleküle im Liter enthalten als die untere. Der- gleichen wir mit diesen Abständen die Molekulargewichte 3. B. Don Sauerstoff = 32, und Wasserstoff = 2, so fällt uns sofort auf, daß sic beide genau umgekehrt 3ueinander verhalten, 5 zu 80 wie 2 zu 32. Das ist sehr interessant, denn wenn wir ein bisher unbekanntes Gas in der Atmosphäre aufgefunden hätten, etwa das Helium, dessen Molekulargewicht wir noc nicht kennen, von dem wir aber wüszten, bei welchem Höhenunterschied feine Dichte auf die Hälfte fällt, so könnten wir allein daraus fein Molekulargewicht berechnen. Da dieser Höhenunterschied beim Helium 40 km beträgt, muß fein Mole- kulargewicht doppelt so groß fein als das des Wasserstoffes, also 4. Das ist es auch. Dies ist die Vorgeschichte, bekannte Tatsachen. Nun kommt Perrins kühne Jdee! Wenn wir eine Atmosphäre Don Molekülen zur Derfügung 75 - hätten, deren absolutes Gewicht bekannt oder bestimmbar wäre, dann mühten wir durc dieselbe Beregnung auc das absolute Gewicht der Luftmoleküle berechnen können. Andererseits wissen wir, daßz sic die Teilchen einer kolloidalen Lösung genau so verhalten, wie die Moleküle einer wirklichen Tö- fung, und damit auc wie die von Gasen; denn beide gehorchen den- Abb. 36. Zentrifugalznlinder. selben Gesetzen. Wie wäre es, wenn die Teilchen solc einer kolloida- len Lösung genau so wie die Moleküle der Luft eine mit der Höhe sic regelmäßig verdünnende Atmosphäre bildeten ? Das Gewicht dieser Teilchen können wir ja feststellen, es brauchte nur noc jener Höhen- unterschied gemessen zu werden, in dem die Anzahl der Teilchen auf die hälfte sinkt, und das Problem wäre gelöst: ein Sauerstoffmolekül würde um so viel leichter fein wie ein Kolloidteilchen, als der Höhenunterschied, bei dem die Dichte der Sauerstoff- bzw. Kok — 76 loidatmosphäre auf die Hälfte sinkt, beim Sauerstoff größer ist wie in der Kolloidlösung. Ja, wenn! Die Kolloidmoleküle könnten sic aber auc ebensogut alle im Saufe der Seit zu Boden setzen, oder, — man kennt ja schon zahlreiche Fälle, in denen das nicht der Fall ist, — sie könnten ent- weder vollständig gleichmäßig oöer ganz ungleichmäßig durc die Lösung verteilt fein. Um sic hierüber zunächst Gewiszheit zu ver- schaffen, suchte Perrin eine kolloidale Lösung herzustellen, deren Teilchen alle ungefähr gleich groß waren. Dies war eine für die Entscheidung ganz unerläßliche Dorbedingung, öeren Erfüllung sehr uiel Arbeit machte. Wir wollen den Arbeitsgang hier einmal ver- folgen, um den dornigen, mühevollen Weg vom glücklichen Gedan- ken bis zum praktischen (Ergebnis kennen zu lernen. Perrin wählte zu feinen Versuchen das gelbe Gummiharz, „®um= migutt" und das Baumharz „Mastix". Diese Harze besitzen vor an- deren Stoffen öen Dorzug, Öaß ihre (Teilchen nicht zusammenkleben. Das Gummigutt löste er in Alkohol unö goß öiefe Lösung in Diel Wasser, in öem Gummigutt ganz unlöslich ist. Der Alkohol verteilt sic sofort in öer ganzen Wassermasse unö öas Gummigutt ballt sic zu kleinen Kügelchen von ganz verschiedener Grösze zusammen, öie eine kolloiöale Lösung bilöen. Um zunächst alle ftörenöen Derun- reinigungen fortzuschaffen, wuröen öie (Teilchen in einer Zentrifuge, öie in öer Minute 2500 Umdrehungen machte, Dom Wasser abge= schleudert. (Abb. 36 zeigt eine einfache Zentrifuge. Die in ihr herab- hängenden Zylinder stellen sic beim Drehen wagerecht.) Dann wur- Öen sie wiederholt mit reinstem Wasser angeschlemmt unö wieöer ab- geschleudert. Da hierbei öie gröberen (Teilchen sic zuerst absetzen, öann nac unö nach öie immer feineren, konnten öie verschiedenen Anteile herausgenommen unö für sic in öerfelben Weife weiter behandelt werden. So gelang es in einigen Monaten durc Verarbeitung von 1 kg Gummigutt eine kolloidale Lösung von einigen Zehntel-Gramm zu erhalten, öeren Teilchen annähernd gleich groß waren. Jetzt kam öie Untersuchung! Zuerst konnte feftgeftellt wer- öen, öaß öie Lösung sic zwar oben klärte, öaß aber zum Schluß doc eine beständige „Atmosphäre" übrig blieb. Schon öer rohe Augenschein zeigte weiter, öaß auch die Verteilung öer (Teilchen scheinbar gesetz- mäßig Don oben nac unten dichter wuröe. Wan stelle sic aber nicht nor, Öaß perrin öiefe Feststellung an hohen Slüssigkeitssäulen in hohen 77 — Glaszylindern vornahm. Die Schichten, in denen sic seine Gummi- guttatmosphären ausbildeten, waren 1/10 mm dick und wurden unter dem Mikroskop beobachtet. Die Teilchen selbst hatten einen ungefähren Durchmesser von 0,0014 mm. Durc das Mikroskop sieht Abb. 37. A Schichten aus verschiedenen höhen einer beständigen kolloidalen Mastiremulsion. (Durchmesser der Teilchen 0,001 mm, Albstand der Schichten 0,012 mm.) man bei starker Dergröszerung immer nur die Teilchen einer äußerst dünnen Schicht scharf und deutlich; die der höheren und tieferen Schichten bleiben undeutlich und entziehen sic bem Blick. Je nach- dem man also das Mikroskop höher ober tiefer einstellt (die Der- schiebung ist sehr genau meszbar), be= kommt man höhere ober tiefere Schich- ten deutlich zu sehen. Diese Schichten wur- ben photographiert. In Abb. 37 unb 38 finb solche Aufnahmen wiedergegeben. Auf ben Bilbern konnte Perrin bie An- zahl ber Teilchen in aller Ruhe auszäh- len unb bie Dichteabnahme mit ber höhe feststellen. In einem Fall waren bie Schichten 0,006 mm voneinander ent- fernt; auf ben zugehörigen Bilbern ben von unten nac oben folgenbe chenzahlen festgestellt: wur= Abb. 38. Anordnung von Perrin zur — : Untersuchung der Dichteverteilung von Kolloidteilchen. a Objektiv des Mikroskops, b Deckglas, c 0,1 mm hohe kolloidale Lösung. 1880 940 530 305. In einem anbern Fall würben Teilchen mit einem Durchmesser von 0,000 414 mm in Abständen von 0,03 mm ausgezählt; babei erhielt man folgenbe Zahlen: 100 47 22,6 12 — 78 — Daraus ergab sich, daß die Dichte in gleichen Abständen gleichmäßig abnahm, genau wie in der Luft. *) Um ganz sicher zu gehen, wurden die Dersuchsbedingungen in weiten Grenzen abgeändert. Es würben sehr kleine unb sehr grosze Teilchen untersucht, statt Wasser würbe bas dicke Glnzerin genommen, bie Temperatur würbe abgeänbert, immer zeigte sic dieselbe Gesetzmäszigkeit ber Dichteverteilung. Kein Zweifel also, bie gleichen Gesetze beherrschen bie Mole- küle ber atmosphärischen Luft unb bie ber kolloidalen Lösungen. Das ersehnte Ziel ist erreicht. Wir können jetzt ben kühnen Sprung von bem 5-km Höhenunterschied beim Sauerstoff zu dem von 0,005 mm in ber Kolloidlösung machen; in beiden Fällen sinkt bie Dichte, b. i. bie Anzahl ber Teilchen, auf bie Hälfte. Um biefen Unterschied, d.h. hundertmillionenmal, muß bas Molekül bes Sauerstoffs leichter fein als so ein Kolloidteilchen. Doc nicht bas richtige Gewicht des Gummi- gutteilchens ist ber Rechnung zugrunde zu legen, sondern erst ist noc bas Gewicht eines gleic grossen Wassertropfens abzuziehen, um bas bas Teilchen in bem Wasser durc ben Auftrieb leichter gemacht wirb. Alles bies in Betracht gezogen, ergab sic bas Gewicht eines Moleküls Sauerstoff zu 47 . 10" g. Das Molekül Wasser- stoss würbe bann 2,94 . 10:4 g wiegen. Nun ist mit einem Schlage bas wirkliche Gewicht sämtlicher Moleküle unb Atome bekannt. Es ist durc bas bekannte Derhältnis ber Molekular- unb Atomgewichte gegeben, bereu sic bie Chemiker bei ihren Berechnungen bebienen, unb bereu Ableitung wir ausführ- lic erörtert haben. Am bequemsten ist es, wenn man mit bem gefundenen wirklichen Gewicht bes Moleküls Sauerstoff bie Zahl ber Moleküle berechnet, bie auf 32 g Sauerstoff, also bas Mole- kulargewicht in Grammen gehen; bas würben 7 . 10" fein. Diese Zahl wirb mit N bezeichnet; sie wirb in wissenschaftlichen Berech- nungen oielfad? verwendet. Will man bas wirkliche Gewicht bes Moleküls eines beliebigen Stoffes, 3. B. von Zucker ober Eiweiß wissen, so braucht man nur fein relatives Molekulargewicht, bas beim Rohrzucker 3. B. 342, bei ber Kohlensäure 44 beträgt, durc diese Zahl N, also durc 7.10" zu dividieren. Mit Hilfe biefer Zahl können wir aber auc sonst noc alle möglichen interessanten Berech- *) Die kleinen Unterschiede in ben einzelnen Zahlen sind auf Fehler- quellen zurückzuführen, bie beim Arbeiten mit so kleinen Stoffmengen unvermeidlich sind. — 79 — nungen anstellen, 3. B. die, wieviel Moleküle in einem Wassertropfen enthalten sind. Diese mühe hat sic jemand gemacht; er hat ge- funden, daßz es ungefähr ebensoviel sind, als das mittelländische Meer Tropfen hat, auf jeden Fall eine unfaßbar große Sahl. Es wird nun gut sein, wenn wir uns noc zu vergewissern suchen, ob denn die von Perrin erhaltenen (Ergebnisse auc zuverlässig sind. Schon lange vor ihm hatte man die absolute Größe der Moleküle zu bestimmen versucht. Man hatte die Zahl N durc geistreiche über- legungen unter Berücksichtigung der wahrscheinlichen Geschwindig- keit der Moleküle, der durchschnittlichen Weglänge ihrer Bewegun- gen, dem Reibungswiderstand in Gasen, dem wahrscheinlichsten Raum, den die massen sämtlicher Moleküle einer bestimmten Stoffmenge einnehmen, wenn man die leeren Zwischenräume wegdenkt, usw., zu errechnen versucht, also durc eine überlegungsreihe, in der tau- send „Wenn" steckten; und man war, das ist sehr interessant, zu un- gefähr derselben Zahl gekommen wie Perrin. Don einer ganz anderen Überlegung ausgehend, hatte Rayleigh die ungefähre Größze von N geschätzt. Er hatte das blaue himmels- licht dazu hergenommen, von dem wir schon wissen, daß es von den Luftmolekülen abgebeugtes, polarisiertes Sonnenlicht ist (f. S.66). Rayleigh maßz zunächst bie Intensität bes direkten Sonnenlichtes und dann bie Stärke des senkrecht von feiner Richtung abgebeugten Sonnenlichtes, d. h. die des 3erftreuten blauen himmelslichtes, mit hilf e dieser Grözen suchte er auszurechnen, wie klein die Luftmole- küle fein müzten, damit das beobachtete Stärkeverhältnis die an- genommene Ursache habe. Er fand dabei, daßz die Zahl N zwischen 3 . 10” und 15 . 1023 liegen würde, eine Genauigkeit, die bei der Unsicherheit der benutzten (Brundlagen befriedigend ist. In rascher Aufeinanderfolge find dann von allen Seiten Zu- gänge zu dieser Zahl N geschaffen worden, auf die wir trotz ihrer Bedeutung hier nicht näher eingehen können. Es fei nur angedeutet, daßz sic u.a. aus den radioaktiven Erscheinungen recht genaue Zahlen ableiten lassen, und daßz noc genauere durc das Studium elektrischer Erscheinungen, und zwar durc die Bestimmung der Gröze der klein- ften elektrischen Ladung erhalten worden find, so daßz ein Zweifel an der ungefähren Richtigkeit nicht mehr aufkommen kann. Bei der Wichtigkeit dieser Zahlen wollen wir noc auf eine in- tereffante Untersuchungsreihe ein wenig näher eingehen, die Sved- — 80 berg unter nieten anderen angestellt hat. Sie stützt sic auc auf die Brownsche Molekularbewegung und ermöglicht eine vorzügliche direkte Nachprüfung der Perrinschen Versuche, sowie der sonstigen Berechnungen. Ch.Svedberg (s. Abb.35) arbeitete mit kolloidalen Goldlösungen und sehr kleinen Teilchen. Er schichtete eine solche Kol- Loidlösung in hierfür besonders erdachtem Apparat vorsichtig unter reines Wasser. Die Goldteilchen wanderten trotz ihrer Schwere infolge ihrer Beweglichkeit langsam in das reine Wasser hinauf; man nennt diesen Vorgang Diffusion.*) lac einer bestimmten Zeit hob Svedberg das über der ursprünglichen Kolloidlösung befindliche Wasser in meh- reren Schichtenfolgen ab und bestimmte ihren Gehalt an Gold. Dieser Gehalt war ähnlich wie bei den Versuchen Perrins in ganz gesetz- mäßiger Weife oben geringer als unten. Bei höherer Temperatur erfolgte die Wanderung rascher, übereinstimmend mit der Erwar- tung. Aus den erhaltenen Zahlen konnte Svedberg zunächst die Wanderungsgeschwindigkeit berechnen. Da diese von der Grösze der Teilchen abhängt, bei großen Teilchen kleiner und bei kleinen grösser ist, konnte er mit ihr unter Berücksichtigung des Wasserwiderstandes, der Temperatur und der Zahl N die Größe der Teilchen ermitteln. Für N wurde die aus allen Versuchen als genaueste erscheinende Zahl 6 . 102 eingesetzt. Dann ergab sic der Durch- messer der Teilchen zu 0,000 000 258 cm. Hun kommt die Nachprüfung ! Die Grösze der Teilchen konnte auch auf anderem, direkterem Wege festgestellt werden, und zwar durch die Bestimmung der Ceilchenzahl, in die sic eine bestimmte Goldmenge geteilt hat. Aac dieser direkten Bestimmung betrug der Ceilchendurchmesser 0,000 000 266 cm. Das ist eine Genauigkeit der Übereinstimmung, wie man sie bei derartig schwierigen Untersuchun- gen nicht besser erwarten kann. Umgekehrt konnte Svedberg natür- lieh aus der direkt bestimmten Gröze der Goldteilchen die Zahl N berechnen; dabei erhielt er den Wert 6,2 . 10". 3n der Nähe dieser Zahl dürfte auch der tatsächliche Wert für N, für die Anzahl der Moleküle in dem Molekulargewicht in ©rammen, liegen. So kreuzen sic alle Wege, von welchem Gebiet der Natur sie auch zur Bestimmung von N ausgehen, in einem Punkt, und liefern einen glänzenden Beweis mehr für das wirkliche Dasein der Moleküle, wenn es eines *) Auf dieselbe Weise verteilt sic auc ein Stück Zucker in einem Glas Wasser, ohne daßz wir umrühren. 81 solchen überhaupt noc bedürfte. Es gilt nur noch, die Genauigkeit dieser Bestimmungen so zu erhöhen, daß einmal eine endgültige, ein- wandfreie Zahl festgelegt werden kann. Abb. 39. Bringt in millionenfacher Dergrößzerung den Bergleid} einiger ultramikroskopischer und molekularer Teilchen nac Ssigmondn. f, g, h und i entsprechen denselben Zeichen der Abbildung auf S. 67. a Wasserstoffmolekül, b Allkoholmolekül, c Chloroformmolekül, d Molekül der löslichen Stärke, e, ei und e2 unsichtbare Teilchen einer kolloidalen Goldlösuna, f, g, h nur im UItramikroskop sichtbare Goldteilchen, deren Durchmesser 0,000 0006, 0,000 001 und 0,000 0015 cm beträgt, i größeres Goldteilchen, Durchmesser 0,000 0075 cm. Für unsere Beregnungen wollen wir vorläufig N = 6:10" annehmen. Dann wiegt ein Molekül Wasserstoff ungefähr 3,33 . 10- g und fein Atom 1,66 x 10" g. Wenn wir mit dieser Zahl die auf S.56 aus der Dicke einer Ölhaut auf Wasser geschätzte ver- gleichen, zeigt sich, daß beide nahe zusammenfallen, so daßz eine Zart, Bausteine des Weltalls. 6 — 8 — solche Ölhaut tatsächlich nur aus einer Doppelschicht von Ölmole- feülen besteht. Da das Molekulargewicht des Fluoreszeins 342 be- trägt, feönnen wir ausrechnen, daß die Fluoreszeinmenge, die wir in einem Wassertropfen gerade noc an der Fluoreszenz erfeannten (s. S.56), aus ungefähr 2000 Molekülen besteht, so daß wir dort noc recht weit non der Sichtbarkeit der Moleküle entfernt waren. Und bei der geringen Merkaptanmenge gar, die wir noc riechen feönnen (f. S. 53), würden im Nasenhohlraum noch 2,5 . 101 , das find 25 Cau- sendmillionen Merkaptanmoleküle herumwimmeln. Wir feönnten auc ausrechnen, aus wieviel Atomen die kleinsten im Ultramikroskop deutlich sichtbaren Goldteilchen bestehen. Sie wiegen 1,2x10’“ g. Das Goldatom wiegt, da das Atomgewicht des Goldes 196,7 beträgt, £196.7 = 3,28 . 10-" g. Also ist das kolloide Golöteilchen aus 1 2 X 10-15 —%o. —22 Atomen zusammengesetzt, das find 31/2 Millionen 0,20 A 1U Stück. Das ist noc ein etwas riesenhaftes Molekül 1 Wie groß ist dagegen wohl ein Eiweiszmolekül ? Für das Eiweiß der roten Blut- körperchen des Rindes hat man ein ungefähres Molekulargewicht von 16 569 bestimmt; es soll aus 2378 Atomen nac her Formel C758 H1203 N195 O218 S Fe aufgebaut fein. Dividiert man 16569 durc 6 . 10", so erhält man als wirkliches Gewicht des einzelnen Mole- küls 2,76 . 10-20 g, eine gegenüber dem Gewicht des Goldteilchens sehr kleine Zahl. Anders steht es mit dem Durchmesser dieses Eiweiszmoleküls gegenüber dem des kleinsten sichtbaren Goldteilchens. Er ist zu ungefähr 0,000 000 25 cm geschätzt worden, ist also nur halb so groß wie der des letzteren. Wenn dieser Unterschied auc gering ist, so zeigt er doc zur Genüge, daß uns das Ultramikroskop das Reid) der echten chemischen Moleküle noc nicht erschlieszt. Dieses Ziel ist also noc zu erstreben. „Der Welten Kleines auc ist wunderbar, und aus dem Kleinen bauen sic die Welten." IV. haben wir nun die Atome der alten Philosophen gefunden, oder ist es uns ähnlic ergangen wie Kolumbus! mit unvollkommener Ausrüstung, aber unerhörter Kühnheit, war er ausgezogen, einen neuen Seeweg nach Ostindien zu finden, und er entdeckte — Amerika. mit ebenso grosser Kühnheit unb ebenso unzureichender Aus» rüstung trat die Forschung die Entdeckungsreise zu den sagenhaften Atomen der alten Philosophen, den letzten, unteilbaren (Einheiten aller Stoffe an; langsam nur kam man vorwärts, unter fortwähren- der Verbesserung der Hilfsmittel. Endlich aber sichtete man bie Gestade einer neuen, unbekannten Welt — man fanb bie Moleküle unb Atome ber Physiker unb Chemiker. Der Weg zu ben letzten, unteilbaren (Einheiten bes Weltalls aber führt über sie hinaus in noc unbekannte Fernen. Kühne Forscher finb auc borthin schon unterwegs. Ihnen zu folgen, ist unsere Aufgabe heute nicht. Dafür wollen wir uns bas eroberte Gebiet, bas wir in Gedanken schon lange besiedelten, noc etwas näher anfehen. Der erste unb schönste (Erfolg, ben wir verzeichnen können, ist bas stolze Gefühl bes sicheren Besitzes. Wir stehen jetzt auf festem Grunde; ber Zwiespalt in unserer naturwissenschaftlichen Seele ist überwunben. Kurze Seit vorher noc setzte man ben Fuß mit einiger Vorsicht unb allerlei Vorbehalt auf diesen Boden, wußte man doc nicht sicher, ob er nicht eines Cages nachgeben unb bas ganze, schöne Gedankengebäude in schwarze Tiefen begraben würbe. Gab es doc immer noc vorsichtige Köpfe, hauptsächlich philosophisch veranlagte, bie lieber anbere Wege versuchten. So finben wir noc in einer im Jahre 1904 von Ostwald her- ausgegebenen volkstümlichen Schule ber Chemie bas folgenbe bemer» — 84 — kenswerte Zwiegespräc zwischen Lehrer und Schüler: Der Schüler äußert die Vermutung, daß alle die Gesetzmäzigkeiten der stofflichen Veränderungen in der Natur doc einen tieferen Zusammenhang haben müszten, dasz sic etwas Besonderes in ihnen unseren Blicken verbergen müsse. Darauf der Lehrer: „Ja so! Das ist allerdings ganz kindlic gedacht, ebenso wie der Bauer dachte, als man ihm die Lokomotive zu erklären versucht hatte. Er sagte: das habe ic alles ganz gut verstanden, aber wo ist denn eigentlich das Pferd, welches alle die Wagen zieht ?" Dieses verborgene Pferd, erklärte der Lehrer dann, wären die Atome der Chemiker. Hun, inzwischen hat sic auc Ostwald als echter Naturforscher, für den es keine Dogmen gibt, dem Gewicht der Tatsachen gebeugt und erklärt, daß er sic durch die neuesten Forschungen vom Dasein der Atome und Moleküle habe überzeugen lassen. (Eine der nächsten Aufgaben ist jetzt, das be= gonnene Werk fortzusetzen und die Rolle der Atome und Moleküle in der Natur restlos zu erforschen. Trotzdem hier schon sehr viel geschehen ist, 3. B. in dem weit ausgreifenden Lehrgebäude der Chemie, stoßen wir doc noc überall auf auszerordentliche Schwierig- heiten. Wir wollen uns daraufhin ein Gebiet, das uns schon öfter beschäftigt hat, noc etwas genauer ansehen, und zwar die Wärme in der Natur als verursacht durc die Bewegung der Atome und Moleküle. Am einfachsten liegen die Verhältnisse bei den Gasen, in deren Ausdehnungsbestreben die Bewegungsenergie der Moleküle direkt in Erscheinung tritt; — sie wird ja von uns zum Antrieb von Ar- beitsmaschinen verwendet. Wie groß ist wohl die Geschwindigkeit solc eines Gasmoleküls? Die Berechnung ist nicht schwer. Nehmen wir 3. B. einen bestimmten Raumteil unserer Luft bei 0° und ge- wohnlichem Atmosphärendruck. Diesem Atmosphärendruck, den wir leicht durch das Gewicht der Quecksilbersäule des Barometers be- stimmen können, und der für 1 qcm 1033,3 g beträgt, muß unsere Luftmenge standhalten, sonst würde sie zusammengedrückt werden. Sie tut es durch die Bewegungsenergie ihrer Moleküle, deren Ge- famtmaffe wir ja wägen können. Unbekannt ist allein die Geschwin- digkeit, die wir jetzt aus den uns bekannten Grözen, aus dem Druck und aus dem Gesamtgewicht der Moleküle berechnen können. Cut man das, so findet man für das Molekül Sauerstoff bei 0° die riesige Geschwindigkeit Don 460 m, für das Stickstoffmolekül Don 490 m in — 85 — Abb. 40 a u. b sollen in einem Längsschnitt (a) und einem Querschnitt (b) das Prinzip der Molekularluftpumpe von Gaede veranschaulichen. der Sekunde! Das sind Geschwindigkeiten, die denen von Gewehr- kugeln gleichen. Sie werden aber von der Geschwindigkeit des Wasserstoffmoleküls bet weitem übertroffen, das zum Alusgleic für fein geringes Gewicht eine Geschwindigkeit von 1840 m in der Sekunde besitzt.*) Allerdings darf man sic nicht vorstellen, daß die Euftmoleküle unter gewöhnlichen Verhältnissen derartige Streben durchfliegen. Dann müszte die Ausbreitung ber Wärme, die Der- mischung der Gase, die Ausbreitung der Gerüche mit derselben (e- schwindigkeit erfolgen. Wir wissen, daß das nicht der Fall ist. Wi^t man die Geschwindigkeit dieser Vorgänge, so mußz man die Wegstrecken schätzen können, die die Moleküle tatsächlich ungehindert durchflie- gen können; sie dürften nicht groß fein, wenn man daran denkt, daß in 1 ccm Luft bei 0° etwa 27 bis 30 Milliarden Moleküle herum- wimmeln, die natürlich fortwährend zusam- menstoßzen; die freien Wegstrecken betra- gen ungefähr ein Zehntausendstel-Millimeter (0,0001 mm). Dabei ereignen sich in der Se- kunde ungefähr 5 Milliarden Sufammenftö^e. Wenn wir die Luft verdünnen, so werben bie ungestörten Flugbahnen natürlic länger. Für ben, ber Freude an großen Zahlen unb der- artigen Berechnungen hat, mögen folgende Andeutungen gemacht werben. Wir können durc vorzügliche Luftpumpen auszerordentlic weit- gehende Verdünnungen herbeiführen, so daß der Jnnendruck un- meßbar klein wird. Der niedrigste noc meßbare Druck beträgt ungefähr 0,000 0001 mm Quecksilberhöhe. Bei dieser großen Der- dünnung würden in 1 ccm Luft bei 0° aber immer noc 2 680 000 000 Moleküle vorhanden sein. Diese Zahl erscheint sehr groß; bei der Kleinheit der Moleküle verschwinden diese jedoc gegenüber dem Raum, auf den sie verteilt find. Sie würden, wenn man 1000 cbm der so verdünnten Luft verflüssigen würde, vielleicht 1 cbmm aus- *) Diese Berechnungen geben uns jedoch, darüber wollen wir uns klar sein, nur bie durchschnittliche Geschwindigkeit aller Moleküle. Die einzelnen werben sic infolge ber vielen Zusammenstösze manchmal noc rascher, manchmal auc langsamer bewegen. — 86 — füllen. Jetzt sind auc die freien Wegstrecken schon größer, vielleicht Dezimeter lang. Diese Überlegungen finden eine wundervolle Bestätigung in bem Verhalten einer neuartigen Luftpumpe, die von Gaede konstruiert worden ist. Er hat sie ihrer hohen Leistungsfähigkeit und der Art ihrer Wirksamkeit wegen Molekularluftpumpe genannt und hat, was uns hier ganz besonders interessiert, mit ihr einen direkten Be- weis dafür geliefert, das die Wärme der Gase in der Bewegung ihrer Moleküle besteht. Der Bau dieser Luftpumpe, der auf einem ganz eigenartigen (Bebanken beruht, ist im Prinzip folgender: Ein Zylinder paszt in einen zweiten haarscharf hinein, so daß er sic in ihm gerade ohne Reibung um feine Achse drehen kann. Um den Jnnenzylinder läuft eine ungefähr 2 cm tiefe und 0,5 cm breite Rinne, in die von dem Aluszenzylinder her ein genau paffenber Zapfen hineinragt, wie es Abb.40a im Längsschnitt zeigt. Abb.40b zeigt einen Quer- schnitt durch den Zylinder an der Stelle, an der sic die Rinne be= findet, in die von oben ber Zapfen hineinragt; die gestrichelten Pfeile find die Radien des ganzen und bes durc bie Rinne ver- engerten Jnnenzylinders. Rechts und links vom Zapfen führen Röhren von der Rinne nac auszen. Was geschieht nun, wenn wir den Znnenzylinder in der Rich- tung der Pfeile in lebhafte Drehung versetzen? In dem Luftraum der Rinne schiezen die Moleküle ganz unregelmäßig hin und her. Diejenigen, welche auf den Jnnenzylinder aufprallen, erhalten einen lebhaften Stoß in der Bewegungsrichtung des Zylinders, im Sinne der Pfeile. Die Folge davon ist, daß die Moleküle von der redeten Seite des Zapfens nac der linken befördert werden. Derbinden wir die redete Röhre luftdicht mit einem geschlossenen Gefäßz, einem (Blaskolben 3. B., so wird dieser allmählich luftleer werden, nicht wahr? Das ist aber so ohne weiteres doc nicht ber Fall. Zunächst wirb ja ber (Brab ber Luftverdünnung auf ber abgeschlossenen rech- ten Seite bes Zapfens von ber Drehgeschwindigkeit bes Zylinders abhängen, bas ist ohne weiteres einleuchtend. Dann aber wirb, so lange bie Luft noc ziemlich dicht ist, ber Zusammenstoß ber Mole- küle untereinanber ein so häufiger fein, baß bie Schleuderwirkung bes Zylinders in biefem Polster von Luftmolekülen gebämpft unb abgeschwächt wirb. Es werben eine große Einzahl von Molekülen immer wieder ben Weg von ber linken nac ber rechten Seite bes 87 — Zapfens zurückfinden, herrscht also auf der linken Seite Atmosphä- rendruck, oder auc nur der Druck einer halben Atmosphäre, so wird die Pumpe unbrauchbar fein. Anders wird es dagegen, wenn auf der linken Seite des Zapfens durc eine andere Dakuumluftpumpe *) schon ein luftverdünnter Raum erzeugt wird. 3st der Druck 3. B. so weit erniedrigt, daß die einzelnen Moleküle von einer Seite der Rinne zur anberen fliegen können, ohne mit anderen zusammen- zustoszen, so wird, wenn die Drehgeschwindigkeit der Znlinderober- fläche ebenso groß oder grösser als die Molekulargeschwindigkeit ist, schwerlich ein Molekül von links nac rechts durchkommen kön- nen; es wirb immer wieder zurück- und schlieszlic hinausgeschleu- dert. Jetzt erst wird die Pumpe ihre Leistungsfähigkeit zeigen können. Diese wird noc dadurch erhöht, daß auf dem sic drehenden Zylinder mehrere Rinnen nebeneinander angebracht und derart mit- einander verbunden find, daß immer die wie in Abb. 40b rechts vom Zapfen stehende Röhre der ersten Rinne mit der linken der folgenden verbunden ist; die Wirkung wird dann der Einzahl der Rinnen entsprechend vervielfacht. Mit dieser Pumpe ist bei 12000 Umdrehungen des Zylinders in der Minute und einem Dorvakuum von 0,05 mm Quecksilberdruck eine meßbare Verdünnung bis auf 0,000 000 2 mm Quecksilberdruck erzielt worden; das ist der nied- rigfte Druck, der je gemessen worden ist. Es find mit der Molekular- luftpumpe wohl noc niedrigere Drucke erreicht worden, eine Grenze in der Leistungsfähigkeit ist ja nicht ersichtlich, nur kann unsere Mezkunst weiter hinunter nicht mehr folgen. In weither Weise das Dorvakuum massgebend für das Endvakuum ist, zeigen folgende Zahlen: Bei 12000 Umdrehungen und einem Dorvakuum non: 20 mm Druck wurde ein Endvakuum non 0,0003 mm erreicht 10 „ „ „ „ „ „ 0,00003 „ „ 1 „ ,, „ „ „ „ 0,000 005 „ ,, 0,05 „ „ „ „ „ „ 0,000 000 2 „ Sinkt bie Anzahl ber Umbrehungen auf 2500, so wirb bei einem Dorvakuum von 0,05 mm Druck nur ein (Enbvakuum von 0,0003 mm erreicht. Beruht bie ganze Konstruktion ber Pumpe auf ber Doraus- *) Das Wort Dakuum bedeutet luftleerer Raum — 88 — setzung der Bewegung der Gasmoleküle, so ist die Art ihrer Wirk- samkeit der beste Beweis für die Richtigkeit dieser Voraussetzung. Alber auc dafür, daß wir in öer Molekularbewegung die innere Natur öer Wärme eines Gases vor uns haben, lögt sic mit öer Mole- kularluftpumpe öer direkte Nachweis führen. Wenn nämlic öer Zylinder sic dreht, so werden alle Moleküle, öie auf öie linke Seite öes Zapfens in Albb. 40b aufschlagen, eine um öie Geschwindigkeit öer Zylinderoberfläche grössere Geschwindigkeit besitzen, wie öie auf öie rechte Seite öes Zapfens auftreffenden. Die Temperatur müsste also auf öer linken Seite höher fein als auf öer rechten. Gaede hat Öen Unterschied mit einem elektrischen Thermometer, einem sog. Thermoelement, gemessen, unö ihn bei 8000 Umdrehungen unö einem Druck von 0,01 mm Quecksilber zu 1,9° gefunöen. Aber auc hierbei ließ öie Wirkung mit zunehmender Dichte öes Gases, ö. h. bei zunehmendem Luftdruck rasc nach. Bei Atmosphärendruck lag öer Unterschied unterhalb von 0,01°, war also so gut wie ver- schwunden. Das ist dadurch zu erklären, daß öie Moleküle mit zu- nehmender Dichte öer Luft zu häufig miteinanöer zusammenstoszen unö dadurc öie anfängliche höhere Geschwindigkeit balö wieöer ver- lieren. Es bilden sic aber auszerdem auc noc ftörenöe Euftwirbel. Bei genügenöer Verdünnung öagegen können Öie von öem Zylinder fortgeschleuderten Moleküle ihre erhöhte Geschwindigkeit ziemlich ungeschwächt beibehalten. Die Versuche zeigen, daß eine m e = chanische Beschleunigung öer Molekularbewegung sic als höhere Temperatur bemerkbar macht; öamit ist end- lic öer direkte Beweis für öie alte Annahme geliefert, öie wir ja schon öfter benutzt haben, öa^ öie Wärme öer Gase nichts anöeres ist als öie unsichtbare Bewegung ihrer Moleküle. Welc eine Menge ungenutzter (Energie steckt in öiefer ruhe- losen Bewegung! Wenn man nur öie Moleküle von 2 g Wasserstoff von 0° so vor eine Maschine spannen könnte, daß sie unter Arbeits- Leistung zum Stillstand kämen, so würöe man 42/3 Pferdekräfte ge- winnen, ö. i. eine Kraft, mit öer man 350 kg um einen Meter heben kann. Unö nun öer ungeheure Wärmevorrat, öer in unserer ganzen Atmosphäre, in öem Wasser öer Weltmeere steckt! Der Er- finöer, öer öiefe Molekularenergie für uns nutzbar macht, wirö wohl nie geboren weröen. Er müszte es fertig bringen, öie gänzlic un- georönete Bewegung öer Moleküle in eine gleiche Richtung zu lenken. — 89 (Eine derartige Möglichkeit besteht nur so lange, als Temperatur- unterschiede vorhanden sind. Nur die dabei auftretende Ausgleichs- Bewegung kann, wie bei unseren Dampfmaschinen oöer heiszluftmoto- ren, in bestimmte Bahnen geleitet und nutzbar gemacht werden. Ist diese Molekularbewegung nun ewig, oder kann sie auc ein- mal erlöschen? Da Wärme und Bewegung gleichbedeutend sind, so müszte durc weitgehende Wärmeentziehung schlieszlic einmal der Wärmetod, die absolute Bewegungslosigkeit der Atome und Mole- küle erreichbar fein. Das geht tatsächlich. Man hat berechnet, daß dieser Wärmetod bei —2730 eintritt, denn bei Albkühlung um 1° nimmt der Gasdruck, wenn der Rauminhalt sic gleic bleibt, um Öen 273. Teil öes Druckes ab, öen er bei 0 ° ausübt. Wenn es ein Gas gäbe, öas man auf —273° abkühlen könnte, ohne daß es auf- hören würöe, ein Gas zu fein, so müszte fein Druck gleic Rull wer= Öen, ö. h. öie Moleküle würöen sämtliche Bewegungsenergie verloren haben. Dies ist öer theoretische, absolute Nullpunkt. In Wirk- lichkeit werden auc öie hartnäckigsten Gase vorher flüssig, Sauerstoff 3. B. bei —183 °, Argon bei — 186 °, Stickstoff bei —196°, Wasser- stoss bei —252° unö Helium bei —267°. Aber auc als Flüssig- keit vermögen öie Stoffe ja Wärme abzugeben, unö so lange sie dazu imstande finö, zeigen sie öamit noc inneres Leben unö Bewegung an. Kernst hat in letzter Zeit befonöers viele Untersuchungen bei sehr tiefen Temperaturen ausgeführt unö öabei zu feiner grossen Überraschung gefunöen, öa^ schon mehr oöer weniger weit vor öem absoluten Nullpunkt öer Wärmeinhalt öer Stoffe verschwindend klein wirö. Der Kohlenstoff vermag 3. B. in feiner kristallisierten Form als Diamant schon bei —231°, also noch 42° über öem absoluten Nullpunkt, keine Wärme mehr abzugeben. Bei anöeren Stoffen liegt öiefe Temperatur beöeutenö tiefer; aber alle erleiöen früher oöer später öen „Wärmetoö". (Eine natürliche unö erklärliche Folge öes Wärmeverlustes ist eine ftänöige Abnahme öes Rauminhaltes öer Stoffe. Ist einmal öer Wärmetoö eingetreten, so liegen öie Moleküle dicht gepackt, tot unö starr nebeneinander, eine Zusammenziehung unö Abkühlung ist nun nicht mehr möglich. Es ist interessant, daß schon bei gar nicht so tiefen Temperaturen öie Stoffe vor Kälte öie Fähigkeit verlieren, miteinanöer chemische Um- setzungen einzugehen. Die (Einwirkung von Schwefelsäure auf Natron versagt schon bei —800; bei —110° vermögen Schwefelsäure unö — 90 — Salzsäure blaues Lackmuspapier nicht mehr rot zu färben, und unter- halb —135° hört jede chemische Reaktionsfähigkeit bald ganz auf. Die Wärmebewegung der Gasmoleküle ist oft mit den Bewe- gungen und Stögen elastischer Billardkugeln verglichen worden, und dieser Dergleic erscheint ganz berechtigt. Wer die Bewegungsgesetze der Billardkugeln kennt, wirb sic leicht ein anschauliches Bild 3. B. davon machen können, wie die Gasmoleküle sic nac einem Zusam- menstoß verhalten. Er weiß, daß die Billardkugeln nac einem Zu- sammenprall nicht nur geradlinige Bewegungsänderungen er- fahren, sondern auc oft in lebhafte, langanhaltende Drehbewegung gefegt werden. Den Billardspieler würde es sicher interessieren, zu hören, ob bas bei ben Gasmolekülen auch ber Fall ist. (Ein bagegen sprechender Grund ist zunächst nicht vorhanden; es fragt sic nur, wie man biefe Bewegung nachweisen könnte. Die Frage sieht aus, als ob sie einen in Verlegenheit versetzen könnte; sie ist aber doc leicht zu beantworten und führt uns zu auszerordentlic interessanten Derhältniffen. ' Zunächst eine ganz einfache Überlegung. Die gradlinige Be- wegungsenergie ber Gasmoleküle ist ihrer Gröze nac meßbar und zwar durc ben Druck, ben bas Gas ausübt, also durc feine Alrbeits- • fähigkeit. Arbeit aber ist in Wärme verwandelbar unb Wärme in Arbeit, bas wissen wir auch, und beibe stehen in einem ganz be- stimmten Zahlenverhältnis zueinander.*) 3c kann also bie Arbeits- fähigkeit, bie 2 g Wasserstoff bei (Erwärmung um 10 (ohne Raum- veränderung) infolge ber erhöhten gradlinigen Bewegungsener- gie ber Moleküle erfahren, in Wärmeeinheiten ausbrücken; sie ge- stattet 1290 g 1 m hoc zu heben unb entspricht also 2,98 cal. Nun können wir folgendes voraussagen: wenn wir 2 g Was- ferftoff, also fein Molekulargewicht, um 1° erwärmen, ohne daß es sic ausdehnen kann, unb bie dazu notwenbige Wärmemenge messen (sie heiszt Molekularwärme), so werben von ihr 2,98 cal. auf bie grablinige Bewegungsenergie ber Moleküle kommen unb ein eventueller Überschuss auf anbere Bewegungszustände. Catsäch- lic beträgt bie Molekularwärme bes Wasserstoffs bei 0° ungefähr 5 cal., bei anberen Stoffen aber mehr ober auch weniger, von 3 cal. anfangenb bis hinauf zu 32 cal. unb noch mehr. *) 1 cal. (f. S. 40) ist einer Arbeit gleichwertig, die beim Heben von 430,6 g um 1 cm geleistet wird. — 91 — hier braucht der Naturforscher wieder etwas Phantasie! Denn diese Derschiedenartigkeit der Zahlen so einfach hinzunehmen, das vermag er nicht; er wittert sofort die Möglichkeit, an ihnen in die Tiefe zu klettern und neue Entdeckungen zu machen. Wodurch ist diese Derschiedenheit bedingt? Zunächst ist es doc schon auszerordentlic auffällig, daß es Gase gibt, deren molekularwärme nur 3 cal. be- trägt. Das sind in erster Linie die (Edelgase Argon, Helium, Xenon und Krypton, dann die Dämpfe von Quecksilber, Natrium usw., kurz Gase, deren Moleküle nur aus einem einzigen Eltom bestehen. Das würde also heizen, daß einzelne Atome entgegen unserer (Erwartung durc schräge Stöze Seine Drehbewegung erhalten Sönnen, ober daß, falls sie eine solche etwa schon besitzen, deren Betrag weder vermehrt noc oermindert wer- den Sann. Damit stehen wir ratlos vor einer unvorhergesehenen, prinzipiellen Schwierig- Seit. (Es ist nur gut, daß wir die Atomtheo- rie glücklic unter Dac und Sac gebracht haben, sonst würde man sie zunächst wieder für gefährdet halten. (Es geht demllaturforscher, wie es Herakles bei der BeSämpfung der Hydra ging: für jedes gelöste probiern ent- stehen zwei neue. (Ein zweites Problem Abb. 41. Erklärung siehe im Text. Sommt nämlic noc hinzu. Die Eitome verhalten sic bei ihren Zu- sammenstöszen scheinbar wie vollständig elastische Kugeln. Diese Elastizität ist aber ohne Nachgiebigkeit nicht zu denken, so ba^ bie Atome, bie wir gefunben haben, weber absolut starr noc unteilbar fein Sönnen. Das führt zu dem Schlusse, ba^ auc bie Atome sic noc zusammendrücken lassen, eine Annahme, bie 3. B. von Richar bs noc aus anberen Gründen gemacht unb experimentell untersucht wirb. Aluc unburchbringlich Sönnen bie Atome nicht fein, unb Perrin hat gewichtige Gründe bafür ins Selb geführt, ba^ 3. B. bie Atome des Wasserstoffs bei 30° sich gegenseitig durchdringen. Doch zurück zu ben Molekularwärmen! Wenn ein Eltom Seine Drehbewegung erhalten Sann, — wir müssen diese Tatsache zunächst unerSlärt hinnehmen, — bann werben sich zwei miteinanber fest ver- bunbene Atome um ihre Derbinbungslinie aus demselben unbekann- ten Grunde auc nicht brehen Sönnen, so daßz solch einem Molekül nur noch zwei von ben brei Hauptdrehrichtungen übrig bleiben. In — 92 — Abb. 41 sollen die zwei schwarzen Punkte die Mittelpunkte der Atome andeuten, und die Kreise die hauptdrehrichtungen des Mole- küls. 1 ist ausgeschaltet; es stehen dem Molekül also nur noc die Richtungen 2 und 3 zur Verfügung. Bollmann, der all diese Möglichkeiten weitgehend durchdacht hat, nimmt zunächst an, daß bei der Erwärmung normalerweise auf die Drehbewegung derselbe Ener- gieanteil fallen müszte, wie auf die gradlinige Fortbewegung, das wären auc 3 cal. Ist eine Drehrichtung ausgeschaltet, so würde für die Drehbewegung ein Drittel weniger, also nur 2 cal. in Betracht kommen, so daß die Molekularwärme zweiatomiger Gase 3+2=5 cal. betragen müzte. Catsächlic ist diese Molekularwärme 3.B. beim Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenoxyd und der Salzsäure fest- gestellt worden. Sind im Molekül drei und mehr Atome vorhan- den, so ist die Drehbewegung unbeschränkt, und bas Gas müszte normalerweise eine Molekularwärme von 6 cal. besitzen. Dies ist bei dem dreiatomigen Wasserdampf auc der Fall. Diese Berechnungen stimmen natürlich nur dann, wenn die Atome so fest miteinander verbunden find, daßz sie nur gemeinsame Bewegungen ausführen können. Ist ihr Zusammenhang gelockert, so werden sie bei einem Zusammenprall auch in selbständige Schwin- gungen versetzt, was eine Steigerung der Molekularwärme über 6 cal. hinaus mit sic bringen müzte. In ber Cat liegt die Mole- kularwärme bei einigen zweiatomigen Gasen, 3. B. bei Brom unb Jod, bereu Moleküle bei höheren Temperaturen ganz aus bem Der- banb gehen (bas Jod ist schon bei 1500° vollständig in Atome auf- gelöst), schon über 6 cal. Die Molekularwärme des zersetzlichen Hze- tylens beträgt, um noch einige Beispiele anzuführen, 8, bie bes Schwefelkohlenstoffs 10, bie bes Chloroforms 15, bie bes Äthers 32 cal. Die Altomlockerung, bie durc biefe Zahlen verraten wirb, muß mit ber Temperatur steigen, unb mit ihr bann auch wieber bie molekular- wärme. Dabei werben bie Eigenbewegungen ber Atome mit stei- genber Temperatur berart erhöht, daß sie schlieszlic bie Anziehungs- kräfte, bie bas Molekül zusammenhalten, überwinben unb bas Mo- lekül sprengen. Dieser Vorgang, Dissoziation ber Gase genannt, ver- braucht für sich auch wieber Wärme, genau so wie bie Derbampfung einer Flüssigkeit. Dadurc wirb bie Molekularwärme noch wieber erhöht. Sie steigt beim Wafferbampf 3. B. von 5,93 bei 0° auf 21,1 bei 2000°. Bei 1000° beginnt ber Wafferbampf auc schon in Wasser- — 93 — stoss und Sauerstoff zu zerfallen, und bei 2500° hat sic diese Ser- setzung, die mit steigender Temperatur einen immer grösseren An- teil ergreift, auf die hälfte ber Moleküle ausgedehnt. Der ent- stehende Wasserstoff und Sauerstoff bilden zunächst für sic Mole- küle, die bei diesen Temperaturen noc beständig sind. Weiter hinauf aber werben auc sie durch die Atombewegung gesprengt. Das verrät schon die auszerordentlic hohe Steigerung der Mole- kularwärme des Wasserstoffs bei ganz hohen Temperaturen; tatsäch- Abb. 42. Ceichmannsche häminkristalle im polarisierten Lichte. Je nac Lage der Kristalle zur Schwingungsrichtung des Ricols erscheinen sie teils hell, teils dunkel. Die Bezifferung des Maßstabs gibt ohne weiteres Mikromillimeter (M) an. Dergrözerung 450 lin. lic ist der Wasserstoff auc bei 5000° ziemlich vollständig in Atome zerfallen. So erhalten wir durc die blo^e Messung ber spezifi- schen Wärme eines Gases einen tiefen Einblick in bas Leben feiner Moleküle, unb wenn man sic mit biefen Fragen eingehend beschäf- tigt, so kann man noc viel mehr herauslesen. Bei ben tropfbaren Flüssigkeiten finb bie Verhältnisse infolge ber geringen Albstände ber Moleküle unb ihrer Anziehungskräfte, bie sic babei schon geltend machen unb 3. B. in ber Oberflächenspannung zum Ausdruck kommen, berart verwickelt, daß sie für uns noc — 94 — ganz undurchsichtig sind. Aber auf dem Gebiet der Lösungen, und zwar der kolloidalen, hat Perrin eine wunderhübsche experimen- teile Bestätigung dieser ganzen Überlegungen gefunden. Ulan bann sic Dorfteilen, daß aus der (Energie der Drehbewegung bei einer be- stimmten Temperatur sic Schlüsse auf die Schwere der einzelnen Moleküle und die berühmte Zahl N ziehen lassen. Derartige theo- retische Berechnungen hat (Einstein durchgeführt. Perrin nun hat sehr grosze Moleküle feiner kolloidalen Lösungen hergenommen, die sic ja wie Gasmoleküle verhalten, unö nac derartigen Dreh- bewegungen unter dem Mikroskop gefahndet. Sie sind unter diesen schwierigen Verhältnissen natürlich nur zu sehen, wenn solc ein Riesenmolekül irgendeine Unregelmäszigkeit aufweift. Perrin hat die Drehbewegung wirblig beobachten und sogar messen bönnen und hat daraus annähernd dieselbe Zahl für N gefunden, die wir schon bennen. Mehr bann man sicher nicht verlangen! Bei den festen Körpern treten wieder übersichtlichere und inso- fern sehr bemerkenswerte Verhältnisse ein, als hier die Moleküle ihre Rolle ausgespielt haben und nur noc Altombewegungen stattfinden. Wir schließen das daraus, daß zunächst die Altomwärmen aller festen (Elemente ungefähr gleic groß find (sie liegen der ahl 6 nahe), und auc in ihrer charakteristischen Größe in sämtlichen Verbindungen be- stehen bleiben, so daß die Molekularwärme eines festen Stoffes genau die Summe feiner Altomwärmen ist. Auc diejenigen Altomwärmen, die non der Durchschnittsgrößze mehr oder weniger abweichen, treten in den zusammengesetzten Molekülen unverändert wieder auf. Wir müssen uns also in den festen Stoffen die Moleküle ziemlich nahe aneinandergepackt und durc Anziehungskräfte oder sonstwie in ihrer Bewegungsfähigkeit gehindert denben, so daß im wesentlichen nur noc die Atome Schwingungen um ihre Gleichgewichtslage aus- führen bönnen. Dabei gruppieren sic die Moleküle zu den charakteristischen Formen der Kristalle, in denen sic gleichsam die (Eigenart jedes Moleküls durch eine persönliche Rote zu erbennen gibt. Wenn wir die so eigenartigen, regelmässigen Formen des Kupfersulfats, der Weinsäurekristalle (f.S.50), des Bergkristalls, des Kalkspats ansehen, oder Eiweiszkristalle Don Blutkörperchen (Abb.42), deren Gestalt immer nerrät, von welchem Tier das Blut stammt, so könnte man leicht auf den Gedanken bommen, daß die Moleküle dieselbe Form wie die - 95 — Kristalle haben müszten. Das ist aber durchaus nicht notwendig und auc nicht der Sall; denn derselbe Stoff vermag oft in äuszerlic recht verschiedenen formen zu kristallisieren. Über die wirkliche Gestalt der Moleküle wissen wir tatsächlich noc nichts; ebensowenig über die der Atome. Richards nimmt sogar an, daß die Atome sic bei der Aneinanderlagerung zu Molekülen gegenseitig eindrücken, so daß ihre Form von Sall zu Fall verschieden wäre, hier hat die Phantasie und die Forschung ein reiches Feld der Betätigung. Aber unter der Voraussetzung einer ganz bestimmten und für jede Kristallart bestimmten Regelmäßigkeit in der Anordnung a b Abb. 43. Interferenzfiguren, die bei Durchleuchtung eines Zinkblendekristalls erhalten wurden. der Moleküle, bei der deren wirkliche Gestalt durchaus nicht gleichgültig zu sein braucht, sind in allerletzter Seit äußerst interes- fante Versuche ausgedacht und ausgeführt worben, und zwar von Laue und feinen Mitarbeitern. Bekannt ist die Anzahl von Mole- külen, die in einer bestimmten Gewichtsmenge eines Stoffes ent- halten sind. Darauf fuszend rechnete Laue Öen Raum aus, öer auf ein einzelnes Molekül eines bestimmten Kristalls, 3. B. öes Zink- fulfiös, öer Zinkblende kommt, unö berechnete öaraus Öen Durch- meffer öer Moleküle. Die Rechnung ergab, öaß er ungefähr 3,3 . 10’8 cm betragen müsse.*) Run hatte man schon lange ver- mutet, öaß öie Röntgenstrahlen sic wie Lichtschwingungen verhielten, *) Man vergleiche mit dieser Zahl die Dicke der dünnsten Ölschicht auf Wasser, S. 55. • — 96 — deren Wellenlänge nur auszergewöhnlic klein ist; ungefähr 2.10-8 bis 1 . 10* cm gegen 4 . 1065 cm des violetten Lichtes, also min- bestens tausendmal so klein wie dessen Wellenlänge. Die Grözenord- nung ist aber dieselbe wie der Durchmesser eines Moleküls im Zink- sulfidkristall. Laue sagte sic deshalb, wenn beide Annahmen unb Berechnungen stimmen, unb wenn bie räumliche Derteilung ber Mo- leküle ber Zinkblende bie vorausgesetzte ist, so müszte man bei rich- tiger Belichtung eines zu diesem Zwecke aus bem Kristall herausge- Albb. 44. Perrin. schnittenen Kristallplättchens mit Röntgenstrahlen ganz bestimmte Beugungserscheinungen dieses Röntgenlichtes, bestimmte Inter- ferenzfiguren, erhalten. Bei engen Spalten sind bie Inter- ferenzfiguren schmale Lichtstrei- fen ([. S. 58). In bem vorlie- genben Fall werben bie Jnter- ferenzbilder punktförmig fein unb eine für jede Kristallart verschiedene Anordnung aufwei- fen. Diese Znterferenzbilder kann unser Auge natürlic nicht wahrnehmen, wohl aber vermag es bie photographische platte. Der Versuch, dessen Ausführung, wie man sic benken kann, nicht ganz leicht ist, würbe mit 0,5 Willimeter dicken Kristall» schliffen ausgeführt, unb — bas (Ergebnis gab ben Vermutungen recht. Wan erhielt auszerordentlic interessante, für jebe Kristall» art charakteristische Jnterferenzbilder, von benen zwei in Abb. 43 wiebergegeben finb. Sie finb bei ber Bestrahlung ber Zinkblende erhalten worben. Die Strahlen trafen bei Abb. a senkrecht auf eine Würfelfläche, bei Albb. b senkrecht auf eine Oktaederfläche auf. Die Anordnung ber Jnterferenzpunkte entspricht durchaus ben ge= hegten (Erwartungen. Ob nun auc bie Röntgenstrahlen wirklich Lichtschwingungen finb, biefe Doraussetzung ist durc ben Dersuc noch nicht bewiesen. Wir wissen, ba^ jedes Atom, bas von Röntgen» - 97 — strahlen getroffen wird, zu einer Eigenstrahlung erregt wird, und diese Eigenstrahlungen werden ganz wesentlich an der Bildung der Jnterferenzfiguren beteiligt sein. Über diese Stage können nur wei- tere Versuche Klarheit schaffen. (Eines aber ist sicher erreicht: bie Molekularstruktur ber Kristalle kann auf photographischem Wege sichtbar gemacht werben, unb ihre Deränberung unter ben verschie- benften Einflüssen ist ber experimentellen Beobachtung zugänglich geworben. Lang unb mühsam war ber Weg, ben bie Forscher in unver- broffener Arbeit zum Reic ber Atome unb Moleküle zurückgelegt unb ben wir hier in aller Kürze überblickt haben. So einfach, bas sahen wir, wie Demokrit, Epikur unb Lukre3 sic bas Weltbilb aus Atomen formten, ist es in Wirklichkeit nicht, mit philosophisch kühnem Griff kann man es nicht enträtseln. In hartem Ringen muß Geschlecht auf Geschlecht Stein um Stein in praktischer Arbeit heranschaffen, bamit wir ben Bau bes Weltalls in Gedanken nach- bilben können. Wir durchschauen jetzt auc ben Wiberftanb, ben viele Philosophen gegen bie Annahme von Atomen geleistet. Er war eigentlich immer gegen bie atomistische Weltanschauung ber Alten gerichtet, gegen ben Begriff bes Atoms, ben bie alten Philosophen sic zurechtgemacht hatten. Dieser Atombegriff war, barüber besteht kein Zweifel, voll innerer Widersprüche. Don ihm sind bie Atome bes Chemikers grundverschieden unb haben mit ihm eigentlic nur eines gemeinsam: sie lösen unsere Welt auf in für sic bestehende, selbständige, voneinander gesonderte, für uns unsichtbare Bestand- teile. Wir haben ihre herausarbeitung »erfolgt unb gesehen, wie bie Forscher vorsichtig ben Atomen unb Molekülen immer nur solche Eigenschaften zuschrieben, auf bie bas physikalische ober chemische Verhalten ber Stoffe hinführte, so 3.B. bie Gleichartigkeit ber Atome eines Elementes, bie Fähigkeit verschiedener Atome, sic in fest- stehender Anzahl miteinanber zu vereinigen, bie Wärmebewegung u. a. Undurchdringlichkeit unb Unteilbarkeit bagegen waren Fragen, über bie lange Seit nichts Sicheres auszusagen war; nur soviel konnte man sagen, bafj, wenn Atome teilbar finb, bann mit ber Aufspal- tung ber Atome auc ber betreffenbe Stoff als solcher verschwindet, unb etwas ganz Heues an feiner Stelle erscheint. Jetzt finb wir auc experimentell so weit gekommen, um zu biefen Fragen Stellung nehmen zu können, unb ba haben sic bie Anzeichen bafür Zart, Bausteine des Weltalls. 7 - 98 — gehäuft, daß unsere Atome wirklic zusammendrückbar und auc noc weiter teilbar sind. So mußzte langsam ein Einwand nac dem an- deren, öen man gegen Öas Dasein von Atomen gemacht, hinfällig werden. Auc öie ganz gefühlsmäßige Abneigung gegen öie An= nahme unsichtbarer Teilchen, öie früher viele in ihrer Stellungnahme bestimmt haben mag, ist inzwischen sicher besiegt woröen, nachdemuns so wunderbare Apparate wie öas Mikroskop unö öas Ultramikroskop neue, bis dahin unbekannte Welten erschlossen unö uns von öer Un- zulänglichkeit unserer uns angeborenen Sinne überzeugt haben. Neh- men wir öann noch zuguterletzt öie materiellen unö zahlenmäszigen Beweise öer letzten Seit für öas Vorhandensein öer Moleküle unö Atome, so können wir sagen: Don derselben Wirklichkeit, wie öie uns umgebenöen Körper, wie 3. B. mein haus, wie Öie Steine, aus öenen es gefügt, wie öie Kristalle, aus öenen öie Steine zusammen- gesetzt finö, von öerfelben Wirklichkeit finö auch die Moleküle, öie sic zu öem Kunstbau öer Kristalle Bereinigen unö öie Atome, Öie jene Moleküle aufbauen; wir können sagen: Die Atome unö Moleküle finö wirklich bestehende Bausteine öes Weltalls. Welche Unendlichkeiten hat öie naturwissenschaftliche Forschung unseren staunenden Augen erschlossen: Der Lichtstrahl, öer nach jahr- taufenölanger Reife durc öen Weltenraum geraöe noch stark genug ist, unserer photographischen platte öie Existenz eines weltenfernen Fixsterns zu verraten, ehe er vor (Erschöpfung ganz erlischt, muß uns erzählen, aus welchen Stoffen öer Stern aufgebaut ist, öer ihn als Boten hinausgesandt hat. (Er berichtet uns, Öaß er aus Öenfelben Stoffen, öenfelben Atomen unö Molekülen besteht, wie unsere Erde. Mit ihnen aber tauchen wir aus öer Welt öes unendlich Groszen in öie öes unendlich Kleinen. Nicht Giganten finö es, öie unseren Erd- ball formen, die Gebirge auftürmen, fonöern winzigeZwerge; aber in öer Bereinigung entwickeln fieSigantenkräfte. Sie finö es unö keine Götter, wie in Öen alten griechischen Sagen, öie öie ungeheure Glut öer Bulkane schüren; sie stürmen in Zyklonen mit einer Gewalt einher, öie Stäöte unö £änöer verwüstet; sie steigen im Wasserdampf aus öen Seen unö Meeren empor, um als Regen nie- derzufallen; in Bächen unö Strömen zum Meere eilenö, graben sie Runzeln in öas alternöe Antlitz öer Erde; sie kreisen in Öen flackern- öen £ebensflammen, öie auf unserem (Eröftern brennen, sie strömen in buntem Berein als Blut durc unsere Aöern, sie zittern in öen Gedanken unseres ^irns. — 99 — Sind mit dieser (Erkenntnis nun die Rätsel des Weltalls gelöst ? Rein, sie find uns fremd wie zuvor, nur etwas heller ist es gewor- den; der Weg zu ihnen ist gewiesen; wir wissen jetzt, wo sie zu suchen find, wenn wir sie bewältigen wollen. Wir kennen haarscharf die Gesetze, nac denen die Gestirne sic bewegen und der Stein zur (Erde fällt; aber niemanb wirb behaupten, daß wir die Ursache kennen — Ursache ist ein schlechtes Wort —, bie bie (Erbe in ihrer Bahn um bie Sonne hält ober ben kleinsten Kieselstein zur (Erbe zieht — ober drückt ? Kein Mensc weiß, was bie Schwerkraft eigentlich ist. Wir haben bie Gesetze erforscht, nac benen bie Atome sic zu Molekülen verbinden. Unsere Chemiker können neue, noc nie da- gewesene Stoffe herstellen; sie können neue Moleküle künstlich unb gang bewußt aufbauen; sie konnten es schon lange, ehe bas Dasein ber Atome unb Moleküle sicher bewiesen war. Trotzdem aber wissen wir noc nicht sicher, was bie Atome unb Moleküle zueinander zieht unb aneinanber kettet, von welchen Kräften sie zu ber gesetzmäßigen Form ber Kristalle gerichtet werben, ober nac welchen Gesetzen sie sic zu bem organischen Bau einer Pflanze, zu einem Tiere zusammen- fügen. Wie bie Geschlechter unb Arten ber Lebewesen, so haben auc bie ihnen eigentümlichen Stoffe ihre Geschichte; hat doc jede Cierart — vielleicht sogar jedes Individuum — ihr charakteristi- sches Eiweiß, das mit ihr entstanden ist, sic mit ihr verändert und mit ihr zugrunde geht. So haben auc die verschiedenen Molekülarten ihre noc ungeschriebene Geschichte; nur bie ber künstlichen wirb nach bem Datum ber Bilbung unb bem Namen ber Hersteller in ben Annalen ber chemischen Wissenschaft genau vermerkt. Unb schon taucht bas Problem des Baues ber Atome vor uns auf, bas große Rätsel eines gemeinsamen Urftoffs mit „Uratomen". Vielleicht verstehen wir später einmal ben geheimen Sinn, nach bem sic bie Gefetzmäzigkeit des periodischen Systems ber (Elemente orbnet, weshalb gerabe bie vorhandenen (Elemente unb Atomarten unb nicht doppelt ober breimal so viel existieren. Dorläufig ist jedes (Element mit feinen Atomen noch eine Welt für sich, unüberbrückbar geschieden von jebem anderen. Vielleicht bringt auch hier eines Tages Eicht in bas Dunkel, vielleicht enträtselt einst ein Forscher bie Ent- wicklungsgeschichte ber Atome. So reifen wir dahin über Irrtum unb Wahrheit zu neuer, reicherer (Erkenntnis. Kamen- und Sachregister. Die mit einem Sternchen (*) bezeichneten Ziffern verweisen auf eine Abbildung im Text. Alchimist 14 Ampere 26, 31 Arrhenius 37 Asymmetrisches Kohlenstoff- atom 49* Atom 9, 23 Atomgewicht, relatives, 25, 41, 42 —, absolutes, 78, 82 Atomwärme 40, 94 Avogadro 26, 31 Bonle 16*, 27 Brown’sche Molekular- Bewegung 68, 69*, 70* Chemischer Vorgang 18 Demokrit 6*, 7 Dalton 23*, 29 Einstein 94 (Element 19, 20 Epikur 7* Sischer, E., 50, 53 Fluoreszein 56 Gasgesetze 27, 28 Gaede 86 Gassendi 15 Gan-Lussac 30 Gefrierpunktserniedrigung 37 Holdschlägerhaut 54 Grammmolekül 35 Interferenz 58, 95*, 96 Kant 6 Kardioidkondensator 63*, 64 Kolloidale Lösung 66 Konstitutionsformel 46* Lackmus 33 Lackmusseide 52 Laue 95 Lavoisier 18, 19* Le Bel 48 Leukipp 7 Tukrez 7 Mendelejeff 43 Mener 43 Mikroskop 57 Mikrowage 54 Molekül 24 Molekulargewicht, relatives, 32, 36 —, absolutes, 78, 82 Tolekularluftpumpe 85*, 86,87 Molekularwärme 90, 92, 94 Kernit 89 Oberflächenspannung 39* Ölhaut 55 Osmotischer Druck 35* Paraboloidkondensator 63*, 64 Pasteur 50 Periodisches System 42 Perrin 74, 94, 96* Polarisiertes Licht 47 Raoult 36 Ranleigh 7 9 Röntgenstrahlen 95, 96 Schopenhauer 6 Siedentopf 62*, 63 Siedepunktserhöhung 37 Spiegelbildisomerie 49*, 50* Svedberg 71, 72*, 80 Dan’t hoff 36, 37*, 48 Wärme 29, 88, 89 Weinsäurekristalle 50* Wertigkeit 45 Ultramikroskop 61*, 63 Zsigmondn 59*, 60 Wichtigste Literatur. Dannemann, Sr., Die Naturwissenschaften in ihrer Entwicklung und ihrem Zusammenhang. 4 Bde. Dritter Bd. Leipzig, 1911. Friedrich, W., p. Knipping und I. Laue, Interferenzerscheinungen bei Röntgenstrahlen. Sitzungsberichte der mathem.-phusikal. Klaffe der K. B. Akademie der Wissenschaften zu München, 1912, S. 323. Gaede, w.. Die Molekularluftpumpe. Annalen der Physik. Dierte Folge, Bb. 41 (1913), S. 337. raebe, C., Der Entwicklungsgang ber Avogadro’schen Theorie. Journal für praktische Chemie. Reue Folge, Bb. 87 (1913), S. 148—208. Lange, S. A., Geschichte bes Materialismus und Kritik feiner Bedeutung in ber Gegenwart. 6. Alufl. 2 Böe., 1898. Lucretius Carus, Don ber Natur ber Dinge. übersetzt non Karl Ludwig von Knebel. Reclam. Nernst, Dr. Walter, Theoretische Chemie vom Standpunkt ber Avogadro’ schen Regel unb ber Thermodynamik. Stuttgart 1913. Perrin, Jean, Die Brown’sche Bewegung unb bie wahre giftens ber Moleküle. Kolloidchemische Beihefte (Ergänzungsheft zur Kolloid- Zeitschrift), Bb. 1, S. 221. Che Snebberg, Die Existenz ber Moleküle. Experimentelle Studien. Leipzig 1912. Zjigmondn, Richard, Zur Erkenntnis ber Kolloibe. Zena 1905. —„—, Kolloidchemie, ein Lehrbuch. Leipzig 1912. aturwijjenjchastliche Bildung ist die Forderung des Cages! Zum Beitritt in den „Kosmos, Gesellschaft der Natur- freunde", laben wir alle Aatursreunde jeden Staubes, sowie alle Schulen, Volksbüchereien, Dereine usw. ein. - Auszer bem geringen Jahresbeitrag von nur IK 4.80 (Beim Bezug durc ben Buchhandel 20 Pf. Bestellgeld, durc die Post Porto besonders.) = K 5.80 h ö.w.= Srs 6.40 erwachsen bem Mitglied keinerlei Verpflichtungen, bagegen werben ihm folgenbe grosze Borteile geboten: Die Mitglieder erhalten laut § 5 als Gegenleistung für ihren Jahresbeitrag im Jahre 1913 kostenlos: I. Die monatschrift Kosmos, Handweiser für Natur- freunde. Reich illustr. mit mehreren Beiblättern (siehe S. 3 des Prospektes). Preis für Aichtmitglieder m 2.80. II. Die ordentlichen Veröffentlichungen. Richtmitglieder zahlen den Einzelpreis von m 1— pro Band. Dr. h. Dekker, Dom sieghaften Zellenstaat. Dr. Ad. Koelsch, Der blühende See. w. Boelsche, Festländer und Meere. Dr. K. Sloeriche, Einheimische Sische. Dr. A. Zart, Atome, Moleküle und andere naturwissenschaft: liche hnpothejen. Änderungen vorbehalten. (Näheres wirb im Kosmos-Handweiser bekanntgegeben.) III. Vergünstigungen beim Bezuge von hervorragenden naturwissenschaftlichen Werken (fiehe Seite 6 des Prospektes). Da JedeBuchhandlung nimmt Beitrittserklärungen entgegen und besorgt die Zu- sendung. Gegebenenfalls wende man sic an die Geschäftsstelle des Kosmos in Stuttgart Jedermann kann jederzeit Mitglied werben. Bereits Erschienenes wirb nachgeliefert. = Satzung = § 1. Die Gesellschaft Kosmos (eine freie Vereinigung der Naturfreunde auf geschäftlicher Grundlage) will in erster Linie die Kenntnis der Naturwissenschaften und damit die Freude an der ITatur und das Verständnis ihrer Erscheinungen in den weitesten Kreisen unseres Dolkes verbreiten. § 2. Dieses Ziel sucht die Gesellschaft zu erreichen: durc die Herausgabe eines den mit- gliedern kostenlos zur Verfügung gestellten naturwissenschaftlichen Handweisers (§ 5); durc Verausgabe neuer, von hervorragenden Autoren verfaßter, im guten Sinne ge- meinverständlicher Werke naturwissenschaftlichen Inhalts, die sie ihren Mitgliedern unentgeltlich ober zu einem besonders billigen Preise zugänglich macht, usw. § 3. Die Gründer ber Gesellschaft bilben ben geschäftsführenden Ausschuß, ben Dorstand usw. § 4. Mitglied kann jeder werden, ber sic zu einem Jahresbeitrag von m 4.80 — K 5.80 6 ö. W. = Srs 6.40 (exkl. Porto) verpflichtet. Andere Verpflichtungen unb Rechte, als in dieser Satzung angegeben sind, erwachsen ben Mitgliedern nicht. Der (Eintritt kann jederzeit erfolgen; bereits Erschienenes wirb nachgeliefert. Der Rustritt ist gegebenem falls bis 1. Oktober des Jahres anzuzeigen, womit alle weiteren Ansprüche an bie Gesellschaft erlöschen. § 5. Siehe vorige Seite. § 6. Pie Geschäftsstelle befinbet sic bei ber Franch’schen Derlagshandlung, Stuttgart, Pfizerstraßze 5. Alle Zuschriften, Senbungen unb Zahlungen (vgl. § 5) sind, soweit sie nicht durc eine Buchhandlung Erledigung finben konnten, dahin zu richten. « " Kosmos " z handweiser für Naturfreunde Erscheint jährlich zwölfmal - 2 bis 3 Bogen starb — und enthält: Originalaufsätze von allgemeinem Interesse aus sämtlichen Ge- bieten der Naturwissenschaften. Reic illustriert. Regelmäßig orientierende Berichte über Fortschritte und neue Forschungen auf allen Gebieten der Raturwissenschaft. Auskunftsstelle - Interessante Meine Mitteilungen. Mitteilungen über Raturbeobachtungen, Dorschläge unb An- fragen aus bem Leserkreise. Bibliographische Notizen über bemerkenswerte neue Erscheinungen ber deutschen naturwissenschaftlichen Literatur. Der handweiser mit feinen illustr. Beiblättern: Wandern und Reifen / Rus Wald und Heide / Pho- | tographie und Naturwissenschaft / Technik und Natur- | wissenschaft / haus, Garten und Selb / Die Natur | | in der Kunst / Natur und heimatschut ///// kostet für Aichtmitglieder ohne Buchbeilage jährlic m. 2.80 Probehefte durc jede Buchhandlung ober direkt. Dom sieghaften Sellenstaat von Dr. Hermann Dekker Mit zahlreichen Abbildungen Siir nichtmitglieder: In farbigem Umschlag geheftet m 1— In Leinen gebunden m 1.80 flanze, Cier, Mensch, alles Lebendige ist aufgebaut aus winzig kleinen, aber doc mit dem Mikroskop gut erkennbaren lebendigen Bau- steinen, den sogenannten Zellen. Jede Zelle lebt für sich, nährt sic und atmet und entfaltet ihre Tätigkeit. Alber bas Lebewesen selbst ist nicht einfach bie Gesamtsumme ber Zellen, bas Leben nicht einfach die Summe ber Zellentätigkeiten. Ein geheimnisvolles Rätsel ist es, wie alle diese Zellen sic zum Ganzen, zum Zellenstaat zusammenschlieszen, zu Ordnung unb Harmonie. Ein Rätsel, wie sic bie Zellen bem Ganzen unb höhe- ren Zwecken unterorbnen, wie sie zum Wohle bes ganzen Zellenstaates zusammenwirken, hand in hand arbeiten, harmonisch sic mit ihren Leistungen ineinanberpaffen unb je nac ben Bebürfniffen bes Augen- blickes arbeiten unb ruhen, ihre Hufgaben unb Seiftungen änbern. Hur bann, wenn unsere Organe vor schweren Leistungen versagen, wenn bas | Zusammenspiel ber Zellen gestört ist, wenn unser Körper nicht so kann, wie er will, unb wie wir müssen, werben wir baran erinnert, wie sehr wir von ben Lebensleistungen abhängig sind, bie sic im Innern ab- spielen. Cagtäglic aber erhält unsere Zellentätigkeit in tausend schwie- rigen Sagen unseren Seib gesund unb lebenbig, tagtäglic finben sic bie Zellen schlagfertig mit ben Schwierigkeiten bes Sehens ab unb über- winben in uns sinnreic erscheinender Weise Cod unb Gefahren. Sieg* haft hilft uns unser Zellenstaat über bie Stürme bes Sehens hinweg. Festländer und lleere im Wechsel der Zeiten von Wilhelm Boelsche Mit vielen hochinteress. Bildern Sür nichtmitglieder: 3n farbigem Umschlag geheftet m 1.— 3n Leinwand gebunden m 1.80 Helgoländer Küste. Tu den ältesten Fragen des er- C wachenden Menschengeistes gehört Sie nac der Verteilung von Wasser und Land in der Vergangenheit. — Warum lie- gen heute Muscheln hoc auf dem trockenen Lande? Warum rauscht die Welle des Ozeans umgekehrt über Strecken, wo die Überlieferung noc von menschlichen Wohnstätten weiß ? Jst es denkbar, daß die Wasser einst über die Berge gingen, ober ber Abgrund ber heutigen See trockenen Fuszes zu durch- wanbern war? Von dem Grü- beln über diese Dinge zeugen bie Sintflutsagen ber Völker. Es ijt so: Im Verlauf der vie- len Millionen von Jahren, bie bieje Erdgeschichte umfaszt, ha- ben auf unserem Planeten Fest- lanb unb Wasserbedeckung uns ablässig gewechselt. Unb von diesem großen Lied bes Wer- bens unb Vergehens, an bas unsere eigene Menschheitsentwicklung jo eng angeschlossen gewesen ist, erzählt dieser Banb. 3n farbigen Bilbern malt er bie uralten Festländer unb Küsten bes Horbens, bas wunder- bare verschollene Gondwanaland im Süden, bie später zerstörten Brücken zwischen heutigen Kontinenten; er berichtet von ben Sintflut- unb Alt- Iantislegenden unb ihrem Wahrheitskern, von ben Korallenriffen ber Dorzeit, bie heute Gebirge sind, von ben Quellen ber Tiefe unb von ben Zukunftsjchicksalen bes Wassers unb bamit bes Sehens auf ber (Erbe. — 3m engen Rahmen entfaltet sic vor bem Leser ein Stück praktischer (Geologie, während zugleich bas heutige geographische Kars tenbild ber (Erbe eine neue unb überraschende Deutung findet. Der blühende See Don Dr. Adolf Koeljc Mit zahlreichen Abbildungen $ür nichtmitglieder: 3n far- bigem Umschlag geh. m 1— In Leinen gebunden m 1.80 n den Tiefen des Wassers ist nac allem, was wir wissen unb ahnen können, das Leben entstanden. Don hier aus er- oberte es sic in silurischen ober gar schon in kambrischen Seiten bas feste Land, unb hier sind auc bie ersten Blütenpflanzen ent- stauben. Aber es scheint, daß jede walfernuß- Lebenseinheit, die vom Festland herangebracht wurde, immer einmal wieber bie Rückwanderung antreten mug zu ber Stätte, wo bas erste Lebensflämmchen aufglomm. Der „Blühende See" erzählt von ben diesbezügl Beobachtungen bei ben Blütenpflanzen. Luftatmende, hochgeborene Pflanzen verwandeln sic wieber zurück in Kiemen atmenbe Lurche; wir erleben ben Abstieg unb hören von ben tausendfältigen Reuanpassungen, bie er nötig macht. Ruger ber Lebens- geschichte einzelner (bestatten empfangen wir aber auc einelebenbige Schil- berung ber sozialen Gliederung des gesamten Schwimm- unb Cauchpflan- zenstaates, lernen seine nächsten Angrenzer an ben Stranbjtreifen ber Seen kennen, erfahren von Wesen mit seltsamen Doppelleben zu Wasser unb Land unb, wie ber See sic immer wieber neuen Zugang holt an ber Küste. Einheimische Fische Don Dr. Kurt Sloeriche Mit zahlreichen Rbbilbungen / / Sür Nichtmitglieder: In farbigem Umschlag geh. m. 1.—. In Leinen geb. m 1.80 achdem ber bekannte Rutor in feinen frü- heren Bändchen bie vier ersten Stämme bes Wir- beltierreiches behandelt hat, geht er jetzt dazu über, auc ben letzten, bie Fische, in feiner pak- kenben gemeinverständ- lichen Rrt vorzuführen. Bejonbers geht ber Der- fasser auc auf bie Or- ganisation unb bas Sinnesvermögen ber Fische ein, ohne jedoc ben praktischen Teil, wie Fischzucht unb Fischfang, zu vernachlässigen. Ruf ben beigegebenen Rbbilbungen gelangt ber interessanteste Teil ber ein- heimischen Fischarten zur Darstellung. Bausteine des Weltalls Atome und Moleküle Don Dr. A. Zart mit Dielen Bildern Für Richtmitglieder: In farbigem Umschlag geheftet m 1.— 3n Leinwand gebunden m 1.80. In ein heiß umstrittenes Ge- biet geleitet uns dieses Bändchen, das in leicht verständlicher und fesselnder Weise den Leser in die rätselhafte Welt der Atome und Moleküle einführt. Diese winzigen Gebilde, die früher nur als ein Hirngespinst vereinzelter philoso- phischer Grübler galten, sind heute nicht nur als die unentbehrlichen Bausteine des stoßen Gebäudes einer zwar noc jugendlichen, aber schon ganz unentbehrlichen Wis- senschaft, der Chemie, erkannt, son- dern auc als die tatsächlic vor- handenen Bausteine der gesamten körperlichen Welt. Es wirb ge- zeigt, wie schon bie aufmerksame Beobachtung unb Deutung alltäglicher Dorgänge selbst ben Ungelehrten auf ihre Spur führt, unb weiterhin berichtet, wie bie Wissenschaft in langem unb hartem Ringen bes Problems Herr geworben ist. Ja, biefe hat es so- gar verstanden, bie Atome unb Moleküle nicht nur zu messen unb zu wägen, fonbern bie Geheimnisvollen auc in bas Licht sinnlicher Wahrnehmung zu rücken. Wenn bann zum Schluß bargetan wirb, welc überaus wichtige Rolle biefe winzigen Körperten in unserer Welt unb auc in uns selber spielen, so fehlt doc auc ber nachdrückliche hinweis nicht, daß mit ihrer Erforschung noc lange nicht bie Rätsel biefer Welt unb unseres Sebens gelöst finb, fonbern mit biefer Erkenntnis nur ber Weg zu neuen unb noc tieferen Problemen freigelegt würbe. Es bildet für jeben Denkenden einen hohen geistigen Genußz mit ben so einleuchtend geschilderten Fortschritten ber physikalischen unb chemischen Forschung bekannt gemalt zu werben, bie in jüngster Seit eine völlige Umwälzung ber naturwissenschaftlichen Atomtheorie herbeigeführt haben. Die Mitglieder des Kosmos haben bekanntlich nac Paragraph 51 das Recht, auszerordentliche Veröffentlichungen und die den Mitgliedern angebotenen Bücher zu einem dusnahmeprets zu beziehen. Es befinden sic u. a. barunter folgende Preis f. Alicht- mitgl. Zit- glieder- preis Werke: m 2 Altpeter, A23€ der Chemie 2.40 1.— ZSergmiler, Erfahr, a. d. Gebiete d. hof. Bagd. Seb. 4.50 3.50 23öl che, 25., Der Sieg des Lebens. Sein gebunden 1.80 1.50 Diezels Erfahrungen a. d. Gebiete der Zlieder jag d. Seb. 4.50 2.90 Ewald, finster Zatur ersäuf, Gebunden .... 4.80 3.60 „ Der 3weifüßzler. Gebunden • 4.80 3.60 Fabre, 3. 5., Sternhimmel. Gebunden 4.80 3.60 „ Bsilder aus der nseltenwelt. L/II. Reihe. Seb. 4.50 3.40 „ 23lid ins säferleben. Broschiert .... 1— —.50 Floeride, Dr. Kurt, Deutsches Zogelbuc. Gebunden 10.— 8.40 Eloericie, Easchenbuc zum Bogelbesimmen. Seb. 3.80 2.90 Fruwirth, Die Zfanzen der Feldwirtschaft. Geb. . 3.80 2.90 Gräbner, caschenbuc zum 2‘anzenbesimmen. Seb. 3.80 2.90 Hepner, €l., 100 neue Tiergeschichten. Sebunden . 3.60 2.80 Jaeger Prof. Dr. Gui., Das Leben im Zaser. Kart 4.50 1.70 Kuhlmann, ZSunderwelt des ^dffertro^enö. Brosch. 1— —.50 ESange, Der Garten und seine ZSepflanzung. Seb. 4.50 3.50 Leben der 2fanze. 3d. I, II, III. IV, V, VI, geb. je 15.— 13.50 Eindemann, Die Erde. 3d. I. Gebunden .... 9.— 8.— RReyer, Dr. 25. Z5ilf., Die ägyptische Finsternis. Geb. QNonographien unserere Saustiere: 3d. I Schumann, Kaninchen; Bb. II Schuster, Hauskatze; 3d. III 3.— 1.90 Morgan, Hund ; Bb. IV Schwind, Haushuhn ä 1.40 1.05 Saner, Prof. Dr. a., ZAineralfunde. Gebunden 13.60 12.20 Schrader, Siebesleben der Eiere. Broschiert . . . 1.40 1.10 Schroeder-Rtot he, Sandbuc f. Rlaturfreunde. 38. I geb. 4.20 3.60 „ — „ — „ II „ 3.80 3.30 Schwind-Hemen, Rosenbüchlein. Gebunden . . . 1.50 1.25 Stevens, Frans, Ausflüge in^ Ameisenreic. Seb. 2.50 1.85 » „ Die Reise ins Zlienenland. Seb. 2.50 1.85 Strandbüchlein. Gebunden 1.25 1.— Stridde, Allgemeine Zoologie. Gebunden .... 7— 6.20 Thompson, €. 5., 23ingo u. a. Tiergeschichten. Seb. 4.80 3.60 n Zräriefiere und ihre Schidfale. Sein gebunden 4.80 3.60 „ Tierhelden. Fein gebunden 4.80 3.60 ZSurm, ZSaldgeheimnise. Gebunden unb zahlreiche anbere Werfe mehr. 4.80 3.60 Die ordentlichen Veröffentlichungen der früheren Jahre stehen den Mitgliedern, solange Dor- rat vorhanden, zu Alusnahmepreisen zur Verfügung: :1904: (Handweiser vergriffen) zusammen für I 4.— (Preis für Nicht- mitglieder M5.—), geb. für M 6.20 (für Richtmitglieder m 8.40): □ □ Bölsche, W., Abstammung des Menschen. Mener, Dr. m. Wilh. (Urania-lener), Weltuntergang. Sell, Dr. Ch., Jit bas Cier unvernünftig? (Doppelband.) Mener, Dr. m. Wilh., Weltschöpfung. 1905 (handweiser vergriffen) zusammen für m 4.— (Preis für licht- □ mitglieder m 5.—), geb. für m 6.75 (für Hichtmitglieder m 9.—): • Bölsche, W., Stammbaum der Tiere. Welten, Die Sinne der Pflanzen. Sen, Dr. Ch., Tierfabeln. Teichmann, Dr. E., Leben und Tod. mener (Urania), Sonne und Sterne. : 1906 ungebunden zusammen m 4.80 (für Nichtmitglieder m 7.80) • und gebunden für m 7.55 * (für Richtmitglieder Ut 11.80): • Weiten, Wie die Dflanzen lieben. Mener, Dr. M. Wilh., Rätsel d. Eropole. 3el,Dr.Ch., Streifzüge durch d.Tierwelt. Bölsche, Wilh., 3m Steinkohlenwald. Alment, Dr. W., Die Seele des Kindes. 1907 ungebunden zusammen m 4.80 (für Richtmitglieder M 7.80) und gebunden für m 7.55 * (für Tichtmitglieder m 11.80): Kuhlmann, Aus der Wunderwelt des Wassertropfens. 3el, Dr. Cb., StrausenpolitiR. Men er, Dr. I. W., Kometen u. Meteore. □ □ Teichmann, Dr. E., Fortpflanzung und Beugung. Sloerice, Dr. K„ Die Dögel des deut- schen Waldes. 1908 ungebunden zusammen m 4.80 (für Nichtmitglieder m 7.80) • und gebunden für m 7.55 * (für Richtmitglieder m 11.80): • mener, Dr. m.w., (Erbbeben u. Dulkane, Teichmann, Dr. (E., Die Vererbung. Sajö, Krieg u. Frieden im Almeisenstaat. Dekker, Naturgeschichte des Kindes. Sloerice, Dr. K., Säugetiere des deut- schen Waldes. : 1909 ungebunden zusammen m 4.80 (für Tichtmitglieder m 7.80) • und gebunden für m 7.55 * (für Richtmitglieder m 11.80): • Sloerice, Kriechtiere u. Lurche DeutschI. der Bölsche, Wilh., Der Mensch in Certiärzeit und im Diluvium. Unruh, Leben mit Tieren. Mener, Dr. m. Wilh., Der Mond. Safö, Prof. K., Die Honigbiene. • +010 ■ ungebunden zusammen M 4.80 (für Tichtmitglieder M 7.80) und gebunden für m 7.55 * (für Richtmitglieder m 11.80): I mener, Welt der Planeten. Sloerice, Säugetiere fremder Länder I Weule, Kultur der Kulturlosen. Koelsch, Pflanzen zwisch. Dorf u. Trift. Dekker, Fühlen und hören. 1911 : ungebunden zusammen IM 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für m 7.55 * (für Richtmitglieder m 11.80): Koelsch, Durc beide und Moor. Dekker, Sehen, Riechen und Schmeden □ □ I Bölsche, Der Mensch ber Pfahlbauzeit. Sloerice, Dögel frember Länder. I Weule, Kultur elemente ber Menschheit. 1912 : ungebunden zusammen m 4.80 (für Richtmitglieder m 7.80) und gebunden für m 7.55 * (für Richtmitglieder m 11.80): Gibson-Günther, Was ist Elektrizität ? Dannemann, Wie uns. Weltbild entstand. Sloerice, Kriechtiere u. Lurche frember Länder. □ Weule, Die Urgesellschaft und ihre Lebensfürsorge. Koelsch, Würger im Pflanzenreich. Sämtlichen Jahrgängen außer 1904 u. 1905 werden die 12 Hefte des betr. Handweiser-Jahr ganges beigefügt. Die sämtlichen noc vorhandenen Jahrgänge der Kosmos-Deröffentlichungen (f. obige Zusammenstellung) liefern wir an Mitglieder: geheftet für m 35.50 (Preis für Nicht- mitgl. 64.80), gebunden (auc handweiser) für 58.50 (preis für Richtmitgl. m 104.80) auc gegen kleine monatliche Ratenzahlungen. *) Wird auc der handweiser gebunden gewünscht, jo erhöht sic der preis um 85 Pf. 100000294683